Wer die Seite hier schon länger verfolgt weiß inzwischen, dass mir diese letzte Seite eines jeden Reiseberichtes immer ganz besonders viel Freude bereitet. Hier noch einmal ein paar Sätze zusammenfassend zu schreiben bedeutet für mich selber immer noch einmal Resümee ziehen. Tja, was soll ich sagen?

Dieses Mal ist es nicht nur ein Fazit, es ist eine Art Liebesbrief geworden. Ein Liebesbrief an die Westfjorde! Ich werde zukünftig noch lauter seufzen und ehrfürchtig erstarren, wenn ich Bilder, Fotos oder Filmschnipsel von dieser Ecke Islands sehe.

Nirgendwo auf der Insel hat es mir bisher so gut gefallen wie hier in den Westfjorden. Polarlichter im Winter sind zwar toll, der Besuch einer Eishöhle auch, Vík í Mýrdal wird für mich immer das schönste kleine Örtchen der Welt bleiben, Stokksnes mag Photographers Paradise sein und der Dettifoss der mächtigste Wasserfall Europas. Das ist alles schön, aber nicht so schön wie hier in den Westfjorden.

 

 

Liebesbrief an die Westfjorde

Hinter jede Ecke, jeder Kurve, jedem Hügel und nach jedem Regenschauer stockt Dir erneut der Atem. Michaela, mit der ich hier schon mehrmals unterwegs gewesen bin, hat auf unserer gemeinsamen Tour gesagt „Wenn die Sonne hier rauskommt, dann explodieren regelrecht die Farben der Natur“. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Das gilt zwar für ganz Island, aber hier in dieser Region ist es noch einmal etwas völlig anderes.

Es ist weiß Gott nicht selbstverständlich, dass man hier fast nur Sonne hat während man unterwegs ist. Von daher bin ich auch einfach nur dankbar, dass wir diese Ecke hier mit all ihren Farben und Facetten SO erleben durften, wie es vielen vermutlich gar nicht vergönnt ist.


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Als ich damals begonnen habe mich für die Westfjorde zu interessieren, war eigentlich „nur“ der Wasserfall Dynjandi der ausschlaggebende Grund dafür. Ich fand die Fotos davon absolut faszinierend und jetzt – wo ich tatsächlich real davor gestanden habe – hat er nichts von seiner Faszination verloren. Er zählt sicherlich zum Schönsten was Island zu bieten hat und wäre ich der Schöpfer persönlich oder ein Hollywood-Regisseur, würde wohl genau SO ein Wasserfall in einem Blockbuster aussehen!

Man kann fast schon froh sein, dass er so weit weg vom Schuss liegt und nicht jeder Tourist zwangsweise hier vorbeikommt. Was dann irgendwann passiert kann man an Orten wie dem Seljalandsfoss oder auch dem Skógafoss ja sehen. Die Abgeschiedenheit tut dem Ort gut, er würde sonst ein wenig von seiner Magie verlieren.

Der Dynjandi, einer der wohl schönsten Wasserfälle von ganz Island

Der Dynjandi, einer der wohl schönsten Wasserfälle von ganz Island

 

Die Papageitaucher bei Látrabjarg sind auch nochmal ein Highlight für sich. Was habe ich mir vorher für Gedanken gemacht, ob ich nicht noch ein vernünftiges Zoom-Objektiv kaufe extra für den Tag. Eine völlig überflüssige Idee! Wer hier einmal gewesen ist, der wird den Begriff „Tierfotografie“ für sich neu definieren müssen.

Das man bis auf wenige Zentimeter an solche Tiere herankommt ist wohl weltweit einzigartig !! Oft habe ich vor lauter gucken und staunen vergessen auf den Auslöser zu drücken. Aber das ist völlig nebensächlich gewesen! Dort an den Klippen einfach nur im Gras zu sitzen oder auf dem Bauch zu liegen und den Tieren zuzuschauen ist etwas, worin man völlig aufgehen und jegliches Zeitgefühl vergessen kann.

Schön ist es auch zu sehen, dass die Besucher sich hier noch respektvoll verhalten und nicht versucht wird die Vögel anzufassen, auch wenn es NOCH so verlockend sein mag. Es hat fast den Anschein, das Klientel welches hier in den Westfjorden herumfährt, ist ein anderes als der gemeine 08/15 Islandurlauber, der heutzutage die Insel unsicher macht und von dem man fast täglich Storys lesen kann die einem die Schamesröte ins Gesicht treibt, weil man sich so fremdschämen möchte.

Papageitaucher in Látrabjarg ... nirgendwo kommt man vermutlich so nah an die Tiere ran wie hier!

Papageitaucher in Látrabjarg … nirgendwo kommt man vermutlich so nah an die Tiere ran wie hier!

 

DAS war jetzt meine Liebeserklärung an die Westfjorde? Ein Wasserfall und ein Vogelfelsen? Mitnichten! Ein Satz im Gedicht von Novalis heißt ja: “Wer Regenwürmer lachen hört, der weiß wie Wolken schmecken.“ Ich glaube, das kann man gut auf die Westfjorde projizieren. Es ist die Leere hier, das Ursprüngliche. Man sieht jeden Tag, wie schön die Insel ohne Menschen und Touristen sein kann – obwohl man selber nur Tourist ist.

Wenn Du die Passstraßen der einzelnen Fjorde rauf und runter fährst, dabei die Wolkenschicht durchkreuzt und es Dir vorkommt, als würdest Du durch Watte fahren, wenn es vor der Bergkette noch geregnet hat und nach der nächsten Kurve plötzlich blauer Himmel ist, dann bist Du angekommen in den Westfjorden.

Ich habe selten schönere Straßen, schönere kleine Dörfer, schönere Berge, schönere Täler und faszinierenderes Wetter gesehen als hier. Wolkenverhangene Hochebenen, die innerhalb weniger Minuten einen kompletten Wetterwechsel vollziehen. Eben schien noch die Sonne, im nächsten Fjord ist es am regnen und auf der übernächsten Passstraße liegt wiederum noch Schnee.

Vormittags 18°C und wolkenlos, abends 4°C und Regen, Nebel und useliges Wetter, wenn man zu Bett geht. Beim Aufstehen morgens früh ist dann alles völlig surreal und der gestrige Abend scheint nicht existiert zu haben, weil wieder traumhaftes Wetter ist. Island eben, wenn Du noch nie hier warst, dann kannst Du es nicht verstehen.

Auch Rauðisandur, ein feiner und heller Strand mit Farben im Wasser bei denen Pauschaltouristen in der Karibik vor Neid erblassen würden, ist so unwirklich das Dir der Atem stockt. Du stehst davor und glaubst, überall zu sein auf diesem Planeten, nur nicht auf Island. Es passt ganz einfach nicht zu dem, was man sich unter dieser Vulkaninsel allgemein so vorstellt. Vulkangestein, Eis, Schnee und raues Wetter. Pustekuchen, die Westfjorde belehren Dich eines Besseren.

Und dann kommst Du hier hin und denkst, Du bist auf den Seychellen. Augen reiben ist vorprogrammiert. Leider war es bei unserem Besuch am Strand wolkig und sehr stürmisch, aber das heißt ja im Prinzip nur eins: Rauðisandur wird uns wiedersehen, alles andere wäre unvereinbar mit dem eigenen Gewissen!

Von unten sind die Westfjorde schon verdammt schön, aus der Luft mit einer Drohne aber nochmal um ein Vielfaches schöner

Ein Seitenarm des Ísafjarðardjúp. Von unten schon verdammt schön, aus der Luft mit einer Drohne aber nochmal um ein Vielfaches schöner.

 

Ich habe 2015 im Bericht mal geschrieben, dass man meine Asche später irgendwann irgendwo oben bei Akureyri in den Fjord streuen soll, weil ich es dort so schön gefunden habe. Vergesst das einfach, die Westfjorde bestehen quasi aus endlos vielen Akureyri-Fjorden, ich wüsste nicht einmal ansatzweise, wohin man mich hier streuen sollte. In jeden Fjord 20 Gramm Asche vielleicht, dann wäre es gut verteilt und ich an vielen traumhaften Orten gleichzeitig.

Rumspinnerei, ich weiß, aber man wird ja noch laut denken dürfen. Ich gehe langsam auf die 50 zu, da gehört so etwas mit dazu. Freunde und Bekannte sterben einem vor der Nase weg, dabei hätten sie noch so viel vorgehabt. Sie haben einfach zu lange damit gewartet.

Momente, in denen Du plötzlich genau weisst, warum Du dir damals eine Drohne gekauft hast

Momente, in denen Du plötzlich genau weißt, warum Du Dir damals eine Drohne gekauft hast

 

Wenn ich könnte wie ich wollte, dann würde ich mal irgendwann ein Auszeitjahr nehmen und einen Großteil davon sicherlich hier in den Westfjorden verbringen. Mehr Entschleunigung geht kaum. Wer hier nach ein, zwei Tagen noch an irgendwelche materiellen Dinge denkt, dem ist nicht mehr zu helfen. Hier wirst Du geerdet und es wird Dir vor Augen geführt, was wirklich wichtig im Leben ist. Nämlich gesund zu sein und solche unglaublich schönen Ecken der Welt entdecken zu dürfen!

Ich hatte nach der letzten Islandreise ehrlich gesagt mit nichts gerechnet, weil ich der festen Überzeugung war, danach kann keine Steigerung mehr kommen. Das Wetter war SO perfekt damals und wir hatten im Gesamten so viel Glück, dass es einer dieser Urlaube war, die nicht nur Positives nach sich ziehen. Das Negative ist nämlich in der Tat, dass man große Erwartungen fürs nächste Mal hat. Es soll doch bitte wieder genauso schön sein wettertechnisch.

Nun, wenn wir eines wissen, dann das es mit dem Wetter hier auf dieser Insel ja so eine Sache ist. Es sollte trotzdem anders kommen wie wir inzwischen wissen und jetzt – nach diesen letzten beiden Urlauben – kann man wohl endgültig sagen, dass die Insel sich für alle Kapriolen der ersten beiden Urlaube, die ich dort erlebt habe, mehr als entschuldigt hat.

Einer von unzähligen Momenten die einen zum anhalten nötigen ...

Einer von unzähligen Momenten die einen zum anhalten nötigen …

 

Ich wusste damals beim Schreiben dieser Zeilen hier eigentlich noch gar nicht, OB und WANN ich noch einmal wiederkommen werde. Mittlerweile ist aber auch mir klar geworden, dass mich Island gefesselt hat und nie wieder loslassen wird.

Wie ein unsichtbarer Magnet zieht es mich immer wieder dort hin zurück. DORT hin, wo Wolken schöner, Menschen freundlicher, Wasserfälle unglaublicher, Fjorde atemberaubender und die Luft sauberer ist als sonst irgendwo. Dort hin, wo der Himmel nachts klarer und in den Wintermonaten mit Glück grüner ist, als die saftigsten Wiesen die man sich erträumen kann. Dort, wo gelbe Schweinchensupermärkte Dir im Urlaub das Überleben sichern und Dir gleichzeitig klarmachen, wie wenig Du eigentlich zum Leben wirklich benötigst!

Und völlig egal, ob ich gerade vor Ort bin oder nicht – Island wird immer einen speziellen Platz in meinem Herzen haben und allgegenwärtig sein.

Auch Mitte Juni liegt auf den Pässen in den Westfjorden noch ordentlich Schnee

Auch Mitte Juni liegt auf den Pässen in den Westfjorden noch ordentlich Schnee

 

Die Insel hat mir gezeigt, wie schön die Welt sein kann. Die Insel hat mir gezeigt, dass man sich von heute auf Morgen irgendwo zu Hause fühlen kann, obwohl man vorher noch nie dort gewesen ist. Die Insel hat mir gezeigt, dass es tatsächlich noch jede Menge guter Menschen auf dieser Welt gibt.

Die Insel hat es geschafft mich komplett zu erden und mir klargemacht, dass man sich über Kleinigkeiten wie eine Pfütze, in der sich ein Wasserfall spiegelt, mehr freuen kann, als über ein 5* Hotel mit Boxspring-Bett. Eisklumpen, die einen perfekt geformten Kreis bilden, rufen in mir ganz spontan Freudensprünge hervor und eine Reaktion wie bei einem Baby, wenn es plötzlich wieder seinen verloren gegangenen Schnuller im Mund hat.

Und Polarlichter … was soll ich dazu sagen? Es gibt nichts – wirklich GAR NICHTS – ergreifenderes, was man erleben kann. Ich habe beim ersten Mal als ich sie gesehen habe geweint wie beim ersten Mal, als mich meine große Liebe verlassen hat in meiner Jugend. Und auch heute bekomme ich jedes Mal noch Gänsehaut, wenn ich sie sehe. Das Universum ist ein Magier und wir sind nur kleine und unscheinbare Zuschauer. Danke für diese grandiose Vorstellung!

Unwirkliche Farben im Fjord auf dem Rückweg vom Vogelfelsen Látrabjarg

Unwirkliche Farben und faszinierende Wolken im Patreksfjörður, auf dem Rückweg vom Vogelfelsen Látrabjarg

 

Vor allen Dingen aber hat die Insel eines geschafft: Sie hat mich abgeholt und in eine andere Welt entführt! Eine Welt, von der ich niemals gedacht hätte, dass es sie heutzutage in dieser Form noch gibt. Was bleibt mir da noch anderes übrig, als diesen Liebesbrief zu schreiben? ;-)

Takk fyrir allt!

 

Hinweis: Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade „Faszination Skandinavien“ teil, zu der Michelle von theroadmosttraveled.de aufgerufen hat. Als großer Island-Fan kann ich da natürlich nicht einfach „nichts“ dazu beitragen :-)

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Die Westfjorde aus einer zweiten Sichtweise:

 

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