Geschlafen habe ich wie ein Murmeltier und zum Glück habe ich dieses Mal auch keinerlei Beschwerden als ich wach werde. Letztes Mal hat mich eine heftige Migräne ja regelrecht außer Gefecht gesetzt in den ersten Stunden des Tages. Heute ist alles wunderbar, selbst die dicken Regenwolken können mir die Vorfreude aufs Frühstück und Reynisdrangar nicht vermiesen.
Das Frühstück ist dann auch gewohnt gut und gibt uns Energie für den Tag. Jón checkt kurz die Wetterlage und wir beratschlagen gemeinsam, ob wir heute einen Tagestrip gen Osten oder Westen machen sollen. Er ist der Meinung, dass es im Westen gleich aufklart und dort das bessere Wetter heute sein soll.
Ich mache den Vorschlag, das wir einfach mal bis nach Vík zur Kirche fahren und dann von dort oben die Küste nach Osten entlang schauen … bei dem Ausblick dort kann man ja gefühlt ins Unendliche schauen und wenn es dort regnen sollte, dürfte man das schon sehen. Nach Westen fahren können wir dann immer noch um einige Punkte anzusteuern, die gestern auf der Strecke geblieben sind.
Als Erstes fahren wir aber im noch strömenden Regen runter zum schwarzen Strand nach Reynisdrangar. Für ein kurzes Foto stoppen wir noch oben am Aussichtspunkt, von welchem man in Richtung Jón’s Hof blicken kann.
Reynisdrangar
Ich bin eigentlich nicht wirklich davon ausgegangen, dass wir uns bei dem bescheidenen Wetter jetzt lange unten am legendären Black Sand Beach Reynisfjara aufhalten würden. Aber just in dem Moment als wir auf den Parkplatz fahren hört es quasi auf zu regnen. Mehr noch, innerhalb weniger Minuten reißt die Wolkendecke vereinzelt auf und beschert uns eine Stimmung, die man wieder einmal nur schwer beschreiben kann.
Da im Moment Flut zu sein scheint kommen die Wellen recht hoch den Strand gerollt, bei dem vorhandenen Wellengang auch kein Wunder heute. Robert scheint wie unter Hypnose zu sein, so fasziniert ist er offensichtlich von diesem Ort hier.
Ich finde das immer schön anzusehen, wenn es jemandem beim bloßen Anblick eines Ortes Gänsehaut bereitet. Natur ist etwas einmaliges eben und wird von vielen als viel zu selbstverständlich angesehen. Es gibt für mich keinen zweiten Ort auf der Welt wie diesen hier. Er nimmt dich mit, verzaubert dich und versetzt dich gleichzeitig in Ehrfurcht vor der Kraft, die vom Ozean ausgeht.
Würde man eine Linie gen Süden ziehen kommt das erste Festland erst wieder in der Antarktis. Das die sogenannten Sneaker Waves hier ungezähmt an den Strand klatschen und alles mitnehmen was nicht niet- und nagelfest ist, kommt also nicht von ungefähr.
Für alle Interessierten: Das Meer fällt hier bei Reynisdrangar bereits nach wenigen Metern auf knapp 50m ab, wen es hier einmal erwischt der ist so gut wie chancenlos. Erst vor kurzem wurde eine deutsche Urlauberin wieder von einer Welle erfasst und ins Meer gezogen. Die Rettungskräfte konnten den Körper zwar bergen, sie ist dann aber auf dem Weg ins Hospital nach Reykjavik verstorben. Fatal: Auch ein Boot der Rettungskräfte kenterte, diese konnten sich nur mit Mühe und Not und durch jede Menge Erfahrung retten.
Darum erneut der Hinweis, den ich mittlerweile in jedem Reisebericht schreibe, wenn es um diesen Ort geht: JEDER (!), der hier diesen Strand betritt, sollte dies mit Bedacht, gesundem Menschenverstand und vor allem mit gehörigem Respekt dem Meer gegenüber machen!
Es nützt niemandem, sich selbst und andere durch törichtes und/oder unüberlegtes Verhalten in Gefahr oder sogar Lebensgefahr zu bringen. Die meisten Unfälle sind vermeidbar, wenn man sich vernünftig verhält. Und KEIN Foto der Welt ist es wert dafür sein Leben aufs Spiel zu setzen.
Und mal ganz nebenbei, eine Welle sieht von weiter vorne auch nur aus wie eine Welle. Wer zu nah ran muss, um diese zu fotografieren hat schlicht und ergreifend das falsche Equipment und sollte einfach das ganze nächstes Mal mit einer längeren Brennweite versuchen zu fotografieren. Soviel dazu, ich wollte ja hier keine Standpredigt halten. Unerwähnt möchte ich das aber auch nicht lassen.
Für diese beeindruckenden Wellen hier hab ich zum Beispiel ebenfalls nicht das richtige Objektiv dabei, mit maximal 70mm kommt man halt nicht wirklich nah an das Geschehen heran. Ich würde es aber trotzdem nicht riskieren und allzu nah ans Meer gehen.
Nach einem regelrechten Foto-Exzess hier bei Reynisdrangar schweiße ich Robert und Krisztina irgendwann vom Strand los und wir fahren nach Vik zum Aussichtspunkt oberhalb der Kirche. Der Blick gen Osten zeigt eigentlich recht gutes Wetter, so dass uns die Entscheidung wohin es heute gehen soll recht leicht fällt.
Insgeheim hatte ich gehofft das es so passieren würde, der morgige Tag wäre sonst einfach viel zu voll gepackt mit Highlights und so kann man heute schon mal bereits einiges „abarbeiten“ und hat dann morgen einfach deutlich mehr Zeit für andere Dinge.
Der Blick in Richtung Felsnadeln von hier oben ist auch wieder völlig anders als die anderen Male, ich glaube ich könnte 365 Tage im Jahr hier hochkommen und würde wohl jeden Tag ein anderes Bild vorfinden. Noch ein kurzer Abstecher runter zum Strand …
… dann fahren wir los. Weit kommen wir allerdings nicht, ich hatte mir die Brücke über die Múlakvísl bei Googlemaps als potenziellen Aerial-Viewpoint herausgesucht. Also halten wir hier kurz und ich schicke den Vogel in die Lüfte. Was man von unten gar nicht wirklich zu sehen bekommt …
… raubt mir beim Blick auf den Monitor dann fast den Atem. Hunderte Wasseradern suchen sich Ihren Weg durch die Sandurfläche hinab zum Meer.
Leider ist es extrem windig, so dass ich mich weder traue weit in die Sandurfläche hinein noch weiter nach oben zu fliegen. Die Angst fliegt eben immer irgendwie mit.
So ähnlich hatte ich mir das bei der Suche nach solche Stellen bei Googlemaps zwar vorgestellt, es dann aber mit eigenen Augen zu sehen (obwohl man quasi unmittelbar daneben steht und gar nichts sieht) ist schon merkwürdig irgendwie. Nach einigen Versuchen ein brauchbares Panorama hinzubekommen setzen wir die Reise fort und kommen irgendwann bei Laufskálavarða vorbei.
Laufskálavarða
Hier befand sich früher der Bauernhof Laufskógar, welcher im Jahre 804 beim gigantischen Ausbruch der Katla zerstört wurde und wo nun jeder Reisende nach alter Tradition eine Steinwarte errichtet, wenn er hier zum ersten Mal vorbeikommt. Da ist im Laufe der Zeit wohl so einige zusammengekommen.
Viel herumlaufen kann man hier aber aktuell irgendwie nicht, das ganze Gebiet ist völlig unter Wasser gesetzt.
Stjornafoss
Wir setzen daher die Reise nonstop fort bis wir zum Stjornafoss kommen. Hier liegt noch jede Menge Schnee und letzte Woche ist im Ort auf Grund der Schneemassen sogar eine Lawine abgegangen.
Der eigentlich große Parkplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite vom Wasserfall ist komplett zugeschneit und bietet aktuell lediglich Platz für … EIN Auto, aber das reicht uns ja heute auch. Mehr frei geschaufelte Fläche gibt es im Moment nicht. Durch den hohen Schnee waten wir schließlich zum Wasserfall, der im weißen Winterkleid wieder völlig anders ausschaut, als ich es bisher gewohnt gewesen bin.
Was ich jetzt schöner finde, kann ich gar nicht wirklich sagen. Sowohl mit als auch ohne Schnee hat die Location ihren Reiz. Wir suchen jeder für sich die beste Fotoposition und im Anschluss daran schicke ich wieder kurz den Kopter in die Luft. Von oben sieht das Ding so unscheinbar aus …
Wie man sieht, ist es wieder bewölkt, genau wie bei meinen bisherigen Besuchen hier – aber immerhin ist es dieses Mal wenigstens trocken geblieben. Irgendwann schaff ich es aber bestimmt auch mal hier beim Stjornafoss ein Fitzelchen Sonne mit auf ein Foto zu bekommen.
Nach dem Besuch hier geht es zum Aufwärmen und auf ein Heißgetränk ins Systrakaffi. Mittlerweile ist es früher Nachmittag und wir waren ja immer noch nicht beim Fjadrargljufur Canyon. Das ist also unser nächstes Ziel.
Fjadrargljufur Canyon
Die Zufahrtsstraße ist – wider Erwarten – bis kurz vorm Parkplatz fast schneefrei.
Zwar scheint aktuell noch ein wenig die Sonne, über den Berg schiebt sich aber eine geschlossene Wolkendecke, die uns gleich noch einen schönen Schneeschauer bescheren wird. Aber das wissen wir natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht …
… und so wandern mir mit vollem Gerödel los den Canyon entlang. Die Lauferei permanent bergauf und durch den hohen Schnee schlaucht ganz schön und wir kommen nicht wirklich schnell voran.
Ist aber auch nicht nötig – denn gerade einmal bis kurz hinter den ersten Punkt wo man zum Rim kommt gelangen wir, dann schüttet Frau Holle alles Mögliche über uns aus und wir flüchten uns so schnell es die Bedingungen zu lassen zurück zum Auto.
Schön nass kommen wir schließlich dort an … und wie auf Kommando hört es wieder auf zu schneien. Hmm, was nun? Um weiteren Wetterkapriolen aus dem Weg zu gehen, beschließen wir uns nur noch vorne am Canyon aufzuhalten und ein paar Aufnahmen von oben und unten zu machen. Hat auch was, wobei eine Luftaufnahme vom Wasserfall am Ende bestimmt auch nett gewesen wäre. Na ja, dann halt beim nächsten Mal.
Eldhraun
Auf der Fahrt zurück nach Vik stoppen wir noch bei Eldhraun. Das mit Moos überwucherte Lavagebiet sieht mit weißen Schneeflecken aber auch wirklich einmalig schön aus :-)
Kvernufoss
Da noch etwas Zeit ist und es sich weitestgehend eh zugezogen hat fahren wir an Vik vorbei bis hin zum Kvernufoss. Der Trampelpfad zum Wasserfall ist inzwischen deutlich auszumachen, eindeutiges Zeichen also das es sich hierbei nicht wirklich länger um eine unbekannte Location handelt. Wobei hier natürlich immer noch deutlich weniger los ist als beim Skogafoss „nebenan“.
Keine Handvoll Leute ist mit uns jetzt hier, davon auch eine Foto-Tour welche aus lediglich 4 Fotografen besteht. Überschaubar also.
So schön alleine der Weg zum Kvernufoss schon ist, fototechnisch werde ich mit ihm auch dieses Mal nicht richtig warm, wieder einmal will mir kein Foto von dahinter so wirklich gelingen, mit dem ich hinterher zufrieden bin. Aber wozu gibt es Robert *lechz*
Also versuche ich mein Glück auch hier mal wieder von oben … und zum ersten Mal stockt mir öfters der Atem, da sich auch jede Menge Möwen in der Luft befinden. Was mache ich nun, wenn sich eine davon in die Drohne verliebt und sie anbumst? Ich beschließe einfach höher zu fliegen, da weiter oben keine Vögel mehr auszumachen sind.
Ein erster zaghafter Versuch einer „Langzeitbelichtung“ aus der Luft. Dafür muss es aber schon wirklich relativ wenig Wind haben, damit es auch nur ansatzweise funktioniert.
Von oben erkennt man auch den Verlauf des Wassers, was immer ganz interessant bei Wasserfällen aussieht, finde ich. Wo kommen sie her, wo führen sie hin … häufig weiß man das gar nicht so genau.
Nach dem Kvernufoss begrüßen wir noch kurz ein paar Pferde auf der angrenzenden Weide wo wir neben geparkt haben …
… und fahren dann, quasi zum Tagesabschluss, noch rüber zum Skogafoss. Inzwischen ist es spät genug, damit keine Busse mehr hier stehen und außer uns befinden sich nur noch eine Handvoll Besucher mit vor Ort. So kann man diesen imposanten Wasserfall wenigstens ansatzweise mal genießen.
Skogafoss
Das war wieder ein mächtig langer Tag heute, an welchem es jede Menge Eindrücke gegeben hat, die erst einmal verarbeitet werden müssen. Morgen verlassen wir Vik dann – zugegebenermaßen auch mit einem weinenden Auge, wir wären gerne noch länger hier bei Jon geblieben.
Aber wenn eines auch dieses Mal klar ist, dann ist es, dass auch dies wieder nicht der letzte Besuch hier gewesen sein wird. Glücklich wegen des Erlebten heute und traurig beim Gedanken an Morgen schlafe ich schließlich ein. Gute Nacht …
Hinterlassen Sie einen Kommentar