Das Frühstück im Viking Café ist völlig in Ordnung, wir bekommen sogar jeder noch eine hausgemachte Waffel mit dazu. Mjammy. Einziger kleiner „Nachteil“ für meine Verhältnisse: Das Essen wird erst um 8 Uhr serviert. Etwas spät in meinen Augen, da wäre ich eigentlich immer schon gerne eine halbe Stunde unterwegs. Da wir heute einen längeren Fahrtag vor uns haben, wo unter anderem auch ein Abstecher runter nach Seyðisfjörður auf dem Plan steht, wäre es natürlich prima gewesen, wenn wir möglichst früh loskommen. Aber nun gut, man kann nicht alles haben.
Da das Wetter seit gestern Abend gleichbleibend bescheiden ist (immer noch Sturm, dicke Wolken und unangenehm kalt), fahren wir heute Morgen ohne zu zögern los gen Osten. Eigentlich hatte ich die Hoffnung, es wäre windstill und man könnte über die spiegelglatte Lagune ein paar dieser genialen Fotos machen, die man vereinzelt im Internet finden kann. Aber wie gesagt, das war leider Wunschdenken an diesem Tag.
Rückblickend ist das aber auch völlig in Ordnung gewesen, es sollte nämlich einer der wenigen Momente in diesem Urlaub sein, wo das Wetter mal nicht so mitgespielt hat, wie wir es uns vielleicht erhofft hatten.
Red Chair
Der erster Stopp auf unserer Fahrt heute ist beim Red Chair mit Blick auf Batman Mountain. Ich hab trotz Recherche nicht wirklich herausfinden können, warum dieser überdimensionale Stuhl hier mitten im Nirgendwo auf einem kleinen Felsen befestigt wurde. Vermutlich ist es einfach eines dieser skurrilen „Kunstobjekte“, die man immer wieder in Island findet. Egal ob es eine Couch mitten im Moos, eine Dusche im Solfatarenfeld, ein Piano am Strand. Man reibt sich hier häufiger die Augen als man denkt aufgrund solcher merkwürdigen Objekte, die immer völlig deplatziert wirken.
Also … ist das nun Kunst oder kann das weg? Ich weiß es nicht, aber da es nicht wirklich stört, kann der rote Stuhl wohl ruhig dort bleiben. Im Hintergrund erkennt man links am der Gebirgskette ganz gut den markanten Batman Mountain, den ich bei einer der nächsten Islandreisen gerne mal aus der Nähe erkunden würde.
Auch einige Luftaufnahmen wären hier theoretisch drin zwischen dem roten Stuhl und dem Meer. Allerdings ist es dermaßen stürmisch, das ich darauf dankend verzichte.
Eystrahorn
Auch beim 756 Meter hohen Eystrahorn ist es immer noch so stürmisch, das ein Flug mit der Drohne nicht möglich ist. Glaube ich zumindest. Ich bin da lieber immer etwas vorsichtiger. Um die Aufnahme von dem markanten Berg zu bekommen, die ich gerne haben würde, müsste ich knapp 1 Kilometer raus aufs Meer fliegen. Das ist mir ehrlich gesagt zu heikel. Von daher gibt es hier nur ein Foto von unten. Schade.
Als wir dann weiterfahren und bei Eystrahorn um die Ecke biegen, ändert sich das Wetter mit jedem gefahrenen Kilometer. Der Wind lässt spürbar nach und die Wolken lockern ebenfalls auf. Das sah vor wenigen Minuten überhaupt nicht danach aus. Aber nun gut, solche schlagartigen Wetteränderungen kennen wir ja von Island bereits.
Stapavik
Als wir den einsamen Basaltfelsen bei Stapavik erreichen ist es inzwischen gefühlt 10 Grad wärmer und die Sonne hat den Kampf gegen die Wolken gewonnen. Wieder einmal. Wir lassen die Jacken im Auto, zu warm ist es einfach, um damit herumzulaufen. Kaum zu glauben eigentlich, heute Morgen beim Sturm in Stokksnes habe ich mir noch den Allerwertesten abgefroren.
Kein einziges Auto steht hier bei Stapavik am Parkplatz, ab heute sollten wir eh das Gefühl haben, das kaum noch Touristen auf der Insel sind. Der Osten ist ja auch in einem „normalen“ Jahr schon immer weniger besucht gewesen als die restlichen Teile der Insel. Aber dieses Mal war es auf der anderen Seite des Tunnels hinter Vestrahorn fast schon so, als wäre man in einem Endzeitfilm gefangen. Man fährt und fährt und gefühlt sieht man eine halbe Ewigkeit nicht eine andere Menschenseele.
Und wenn wir dann mal zufällig andere Leute getroffen haben, dann waren es zu 95 % immer nur Einheimische. Fast scheint es so, als lernen die Isländer jetzt, wo es endlich mal weniger Urlauber aus anderen Ländern gibt, Ihre Insel zum ersten Mal wieder selber so richtig kennen.
Eggin í Gleðivík
In Djúpivogur tanken wir kurz auf und schauen uns die Eggin í Gleðivík an, die man unten am Wasser findet. Komische Dinger, fast drei Dutzend an der Zahl. Die Eier sind eine Hommage an die einheimischen Vögel Ostislands.
Der isländische Künstler Sigurður Guðmundsson schuf 2009 die 34 riesigen Eier „zu Ehren“ der 34 Vogelarten, die hier in dieser Region der Insel nisten. Jedes Steinmuster zeigt genau die Form, Muster und Farben des jeweiligen Vogeleies, das es darstellt. Die Eier unterscheiden sich zwar geringfügig im Aussehen, sind aber alle nahezu gleich groß. Nur eines nicht, nämlich das Ei des Rotkehl-Tauchers. Es ist größer als die anderen Eier, vermutlich weil es der offizielle Vogel von Djúpivogur ist.
An den Sockeln worauf die Eier stehen befindet sich jeweils eine Infotafel, auf welcher der Name des Vogels (sowohl Gattung als auch Art) in lateinischer Sprache und sein gebräuchlicher Name in isländischer Sprache angegeben sind.
Folaldafoss & Oxi-Pass
Unser nächstes Ziel ist der Folaldafoss im unteren Bereich des Oxi-Passes. Heute ist das Wetter deutlich besser als im letzten Island Uraub, als wir ihn besucht haben. Damals war es in Strömen am Regnen, als wir hier am Wasserfall ausgestiegen sind und bei der Weiterfahrt nach oben auf den Pass wurde es dermaßen nebelig, das man keine 10 Meter weit mehr gucken konnte.
Wir laufen zu Fuß runter zum Wasserfall und machen auch wieder einige Luftaufnahmen, wodurch der Fjord und die Passstraße wieder erst so richtig zur Geltung kommen.
Auf der Öxi-Route #939 in Richtung Egilsstaðir sehen wird dann schließlich jede Menge Schafe links und rechts der Straße und auch wieder die für Island typische Wollgras, welches hier immer wieder auf den Wiesen zu finden ist.
Klugscheißer-Wissen: Bei dem Wollgras auf Island handelt es sich genauer gesagt um das „Schmalblättrige Wollgras“ (Eriophorum angustifolium). Das ist eine Pflanzenart aus der Familie der Sauergrasgewächse (Cyperaceae). Sie ist eine kennzeichnende Art von Hoch- und Zwischenmooren und die langen Blütenhüllfäden der Früchte bilden den bezeichnenden weißen Wollschopf der Wollgräser (Eriophorum).
Bei Egilsstaðir biegen wir auf die Straße #953 ab, wir möchten nämlich gerne zum Mjóifjörður, wo wir uns die Klifbrekkufossar und das Wrack der WWII US Navy LCM anschauen wollen. Die Serpentinenartige Anfahrt ist vermutlich nicht Jedermanns Sache, die Schotterstraße schlängelt sich in wilden U-Turns und relativ steil den Hang zum Fjord hinunter.
Gerade einmal knapp ein Dutzend Menschen lebt heutzutage noch hier im Mjóifjörður, dessen Name übersetzt soviel wie „Schmaler Fjord“ bedeutet. Und das ist er in der Tat. Mit einer Ausdehnung von 18 km Länge und maximal 2 km Breite ist er relativ klein. Die Zufahrtsstraße #953 ist nur wenige Monate im Jahr (häufig kann man lesen, es seien nur vier) problemlos befahrbar, zwischen Oktober und Juni kann es sein, das man schneebedingt nicht mit dem Auto hinein oder wieder hinaus kommt. Die Anwohner müssen dann ein Schiff benutzen, was den Fjord 2x wöchentlich bei der Siedlung Brekkuþorp ansteuert und von Norðfjörður kommt.
Unten am Ende der Serpentinenstraße angekommen erwarten uns auf der rechten Seite die Klifbrekkufossar. Wow, was für tolle Wasserfallkaskaden. Zu Fuß gelangt man nur zum unteren der Wasserfall problemlos, alles andere wäre mit etwas Kraxelei verbunden – aber wozu hat man eine Drohne dabei? Die wirkliche Dimension kommt hier wieder einmal nur aus der Luft so richtig zur Geltung.
Wenige Kilometer weiter befindet sich das alte, rostige Schiffswrack der WWII US Navy LCM in Ufernähe. Selbst ein Tisch mit Bänken wurde dort errichtet. Warum auch immer man hier ein Picknick machen sollte, die Isländer wissen wirklich, an den ungewöhnlichsten Stellen für solche Möglichkeiten zu sorgen.
Das Wrack hat übrigens weder etwas mit dem Zweiten Weltkrieg, noch mit den USA zu tun. Es wurde von einigen Farmern gekauft, in den Fjord geschleppt und rottet hier seit 70 Jahren nun vor sich hin. Wer jetzt den Sinn dahinter sucht, der kann mir einfach Bescheid geben, wenn er ihn gefunden hat. Ich habe keine weiteren Infos diesbezüglich ausfindig machen können.
Seyðisfjörður
Danach geht es in den nächsten Fjord nach Seyðisfjörður. Die schnuckelige Kirche am Ende der bunt bemalten Straße darf natürlich bei keinem Besuch der Ostfjorde fehlen. Sie ist inzwischen ein beliebtes Fotomotiv geworden und so gut wie alle Busse schmeißen Ihre Mitreisenden hier raus, damit diese davon ein Foto machen könne.
Seyðisfjörður ist auch der Ort, wo man zwangsweise ankommt, wenn man mit der Fähre nach Island übersetzt. Beispielsweise, weil man mit dem eigenen Wohnmobil oder dem Auto die Insel erkunden möchte. Kaum irgendwo wird man also mehr Motorhomes sehen als hier. Die Infrastruktur in diesem eigentlich recht kleinen Ort ist demzufolge recht gut. Es gibt einige Cafés und auch Unterkünfte sind keine Mangelware. Wir beschränken und allerdings nur aufs Fotografieren heute, zum Übernachten hatte ich mich für eine Hütte in der Nähe von Egilsstaðir entschieden.
Nach der Kirche fahren wir ein Stück weiter und statten Tvísongur, dem „singenden Beton“, einen Besuch ab. Dieser komisch anmutende Bau ist ein Kunstobjekt, eine sogenannte Klangskulptur. Entworfen wurde sie vom Berliner Künstler Lukas Kühne. Jede der vier nachhallenden Kammern besteht aus glattem, dickem Beton mit einer Dicke von 100 mm und wurde auf eine andere Frequenz abgestimmt, die einem Ton in der traditionellen isländischen, fünfteiligen Harmonie entspricht.
Die kurze (aber steile) Wanderung beginnt bei der Brimberg Fish Factory und dauert circa 15 Minuten. Der Blick in den Fjord mit der kuriosen Ansammlung von Mini-Iglus (zumindest erinnern sie mich ansatzweise daran) im Vordergrund lohnt sich definitiv. Wer sich mehr Wissen über die Klangkörper aneignen möchte, der kann das am besten hier machen.
Bevor wir zum Ende des Tages schließlich zu unserer Unterkunft südlich von Egilsstaðir ansteuern fahren wir noch ein Stück nördlich zu den Galtastaðir Farm & Turf Houses. Leider ist das Gelände jedoch durch ein massives Tor verschlossen und auch das No Trespassing – Schild spricht eine eindeutige Sprache. Hm, schade. Das der Besuch hier nicht mehr möglich ist hatte ich im Vorfeld nirgendwo gelesen, sonst hätte man sich die 35 km lange Anfahrt über Gravel auch sparen können. Egal …
Unterkunft Stora Sandfell
Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir an unserer Unterkunft. Wir wohnen in einer der Hütten bei Stora Sandfell. Angenehme Größe, starkes WLAN durch eigenen Router, eigenes WC mit Dusche und wieder einmal eine tolle Küche samt Gasgrill außen. Was will man mehr?
Kurz vor Dunkelheit gibt es noch ein paar Noctilucent Clouds, also leuchtende Nachtwolken. Hab ich leider nur viel zu spät bemerkt und das einzige Foto, was ich davon versucht habe, ist völlig unscharf geworden. C’est la vie. Polarlichter sind übrigens ausgefallen, trotz KP4. Aber das ist irgendwie nebensächlich, im Gesamten läuft bisher einfach alles echt gut
Gefahrene Kilometer heute: 406