Der Tag beginnt recht gut wettertechnisch, was mir wieder einmal zeigt: Wettervorhersagen in Island sind schlicht für die Tonne. Ursprünglich sollte es laut Vorhersage in Vík zwei Tage durchregnen. Und nun ist es quasi doch wieder komplett anders gekommen.
Tagesziel heute ist jedenfalls Stokksnes im Südosten, wo wir auch direkt in einem der Zimmer vom Viking Café übernachten. Auf dem Weg dorthin hatte ich nicht viel für uns geplant. Nur ein paar Stopps an Orten, die wir auch nach mehreren Fahrten entlang der Südküste noch nicht kennen. Auch ein ominöser Secret Canyon ist dabei.
Die Verabschiedung bei Martina & Jón fällt uns beiden wieder schwer. Irgendwie ist es jedes Mal, als wenn ein Stück Deines Herzens mit zurückbleibt. Aber wir werden wiederkommen. Ob zusammen oder jeder für sich, das wird sich dann zeigen. Ich persönlich könnte problemlos eine ganze Woche hier auf der Farm verbringen. Ich liebe die Gegend rund um Vík einfach, in der es auf so kleinem Raum gefühlt so endlos viel zu sehen gibt, das ein komplettes Leben kaum dafür ausreicht.
Schon kurz nachdem wir losgefahren sind verändert sich das Wetter, jedoch leider nicht zum positiven. Tief hängende, zum Greifen nah erscheinende Wolken und eine Suppe aus Nebel und Regen begleiten uns die ganze Zeit. Hjörleifshöfdi kann man nicht einmal erahnen, dabei liegt der Felsmonolith keine 200 Meter von der Straße entfernt.
Lomagnupúr
Dieses „Wetter“ begleitet uns die ganze Fahrt über bis zu unserem ersten Stopp, dem gigantischen Lomagnupúr. Mit 764 Metern ist er locker mehr als doppelt so hoch wie der Eiffelturm und nur unwesentlich kleiner als der Burj Khalifa in Dubai. Einst war es die höchste Steilklippe Islands, bis das Meer vor tausenden von Jahren immer weiter zurück gewichen ist.
Eine dicke Wolkenfront umgibt den gigantischen Berg heute, sodass man seine Form nur erahnen kann. Aber das ist egal, auf den Fotos wirkt das dafür umso mystischer.
Svínafellsjökull
Unser nächster Stopp ist der Svínafellsjökull. Hier hatte ich eigentlich gar nicht vor, zu halten. Geplant war stattdessen im Skaftafell National Park den Trail hoch zum Scenic Point zu laufen, von wo aus man auf den Gletscher schauen kann. Der Berg, auf den wir klettern müssten, liegt aber samt Gletscher dermaßen in dicken Wolken verhüllt, das wir uns das schlicht schenken und nebenan eben den Svínafellsjökull ansteuern. Der ist wenigstens halbwegs zu erkennen.
Die nicht asphaltierte Zufahrtsstraße ist in einem grenzwertigen Zustand heute. Inzwischen habe ich ja die Vermutung, hier wird absichtlich nichts instand gehalten, um die Urlauber in ihren Kleinfahrzeugen ein wenig zu veräppeln und auf die Probe zu stellen. Mal sehen, wer es schafft am Ende anzukommen. Für unseren Santa Fe ist das alles kein Problem, die fahrenden Hindernisse in Form von Opel Corsas oder Hyundai i10 lassen wir einfach links und rechts liegen unterwegs.
Wir erkunden heute lediglich den Bereich unten an der Lagune und gehen gar nicht erst bis zur Abbruchkante des Gletschers. Da haben wir schon einige Mal vorgestanden, so viel anders schaut das heute auch nicht aus. An der Lagune unten, wo die Eisklumpen ans Ufer gespült werden, gleicht jedoch kein Tag dem anderen. Es ist ein mystisches Bild irgendwie. Das Ende des Gletschers verschwindet in dicken Wolken, nur hier und da blitzt vereinzelt ganz kurz die Sonne durch. Das schaut weltklasse aus!
Nachdem wir zurück am Auto sind fahren wir zu einem weiteren Parkplatz, den ich erst kurz vor dem Urlaub auf GoogleMaps entdeckt hatte. Er liegt außerhalb des Nationalparks, daher ist auch ein Start der Drohne von hier aus kein Problem. Also senkrecht nach oben mit dem Ding und … Augen reiben! WAS für ein Anblick!
Secret Canyon
Weiter geht es Richtung Osten zum Secret Canyon. Einem Ort, den ich noch unter Rothargljúfur auf meiner Karte vor langem markiert habe. Warum er inzwischen unter einem anderen Namen im Netz der Netze die Runde macht … ich weiß es nicht. Schreiben werde ich zur exakten Bezeichnung nichts, da ich mir sehr sicher bin, das in naher Zukunft dort ein ähnlicher Hype wie beim Stuðlagil Canyon im Osten stattfinden wird! Und daran möchte ich wahrlich nicht mit Schuld sein.
Wer also wissen will, um welche Schlucht es sich hier handelt, der darf gerne selber recherchieren. Mit den Hinweisen hier im Text und durch ein wenig Recherche bei Googlemaps lässt sich der Ort vermutlich mit wenig Aufwand herausfinden. Und es ist doch eh ein viel schöneres Gefühl, wenn man solche Dinge selber recherchiert und sich erarbeitet. Warum ich diverse Orte namentlich übrigens nicht mehr nenne, das habe ich vor längerem bereits in einem Artikel über Overtourism beschrieben. Danach wird so einiges klar, hoffe ich.
Wie auch immer. Die Sonne meint es inzwischen zum Glück wieder gut mit uns, auch wenn wir etwas zu spät am Tag hier sind und der hintere Wasserfall am Ende der Schlucht bereits wieder im Schatten liegt. Die Wanderung ist also eher etwas für den Vormittag, dann sollte die Sonne den gesamten Canyon in ein schönes Licht tauchen und ausleuchten.
Uns ist das heute jedoch relativ egal. Bereits vom kleinen Parkplatz aus ist der Anblick an sich schon ziemlich überwältigend. Und das, obwohl man noch gar nicht wirklich viel sieht.
Aber bereits auf dem Trail und dem Weg nach oben sieht man die Abbruchkante des Gletschers beim Fjällsarlón samt Eisschollen in der Lagune. Auch den Jökulsarlón kann man gut erkennen. Der Blick reicht heute sogar bis zur Brücke der Ringstraße, die bei der Gletscherlagune ist. WOW! Gestern hatte ich auf einer anderen Seite noch gelesen, das der Ausblick vom Trail einer der schönsten ganz Islands sei. Das könnte fast stimmen. Vielleicht nicht DER schönste, aber mit Sicherheit „einer der schönsten“.
Wir lassen den rund 150 Meter hohen Canyon auf uns wirken. Auch diesen Anblick muss man sich ZUM GLÜCK erst erarbeiten. Der Trail zur Schlucht, durch welche die Múlaá fließt, führt kontinuierlich ~40 Minuten bergauf. Vor dem Glücksmoment steht also der Schweiß. Eigentlich ist das aber auch gut so. Denn, obwohl die geschotterte Stichstraße von der Ringstraße nur knapp 2 km lang ist und selbst für Kleinbusse leicht zu fahren wäre, werden hier niemals die gehfauleren Urlauber herkommen. Dafür schlaucht die Wanderung nämlich doch zu sehr. Ein, zwei Mal geht es etwas tricky steil bergab und bergauf und ein Bach muss ebenfalls überquert werden.
Dazu kann man sich relativ leicht verlaufen finde ich. Gerade zu Beginn der Wanderung muss man sehr aufpassen, nicht den falschen Abzweig zu erwischen und komplett in die falsche Richtung zu gehen. Rein intuitiv würde man nämlich nach rechts in Richtung Schlucht laufen, zumal dort ebenfalls ein Trampelpfad hinführt. Das ist aber genau der falsche Weg.
Ich mache zwar an die 100 Fotos von hier im gesamten, entscheide mich schweren Herzens aber hinterher, nur diese drei oben einzufügen. Weniger ist manchmal mehr, gerade für die Natur.
Zurück am Auto schaue ich auf die Uhr, wir waren jetzt gut 2 Stunden unterwegs und sind 4.5 km gewandert. Ich hätte mit deutlich mehr gerechnet, da kann man mal sehen, wie sehr man sich verschätzen kann. Wir halten noch kurz am Jökulsarlón und am Diamond Beach … am Strand liegen aber kaum erwähnenswerte Eisklumpen, weswegen wir nicht ein einziges Foto dort machen. Das kennen wir beide schon deutlich anders, von daher ist das nicht wirklich spannend heute.
Stokksnes
Richtung Stokksnes ändert sich das Wetter wieder. Je näher wir unserem Ziel kommen, umso windiger und wolkiger wird es. Der Berg Vestrahorn bei Stokksnes ist dann auch in dicken Wolken eingepackt, als wir dort gegen 19 Uhr ankommen. Es stürmt zudem recht stark … jo, genau SO kenne ich den Ort.
Ich weiß gar nicht genau, wie oft ich jetzt hier war. 5x glaube ich. Nur ein verdammtes Mal möchte ich es so gerne hier windstill haben. Dazu vielleicht noch eine zarte, dekorative Wolkenhaube auf dem Berg oben, so wie es auf einigen Fotos zu sehen ist. Aber nööööö … Stokksnes entwickelt sich immer mehr zu einer Art Hassliebe-Location. Es ist für mich einer der fotogensten Orte der gesamten Insel. Aber gleichzeitig ist es auch einer, von dem ich am wenigsten erwarte. Irgendwie verrückt.
Dieses Mal wollte ich allerdings etwas schlauer sein. Darum hatte ich die Übernachtung direkt in einem der Zimmer beim Viking Café gebucht. Zum einen, weil ich darauf gehofft hatte, dass es halbwegs windstill ist und man tolle Spiegelbilder von der Lagune machen kann. Zum Anderen, weil es Nachts ja inzwischen wieder dunkel genug wird. Und Polarlichter über Vestrahorn wären halt auch nochmal so ein Traum, den ich mir gerne erfüllen würde. Beides passiert dieses Mal nicht. Im Norden Islands waren vorgestern allerdings schon welche zu sehen. Das macht Hoffnung.
Der Eintritt nach Stokksnes, der normalerweise knapp 8 EUR/Person kostet, ist im Übernachtungspreis übrigens mit enthalten. Man bekommt beim Check-in zwei Tickets, welche man für die Schranke an der Zufahrt benutzen kann. Und auch ein klasse Frühstück ist im Preis für die Übernachtung inbegriffen, inklusive warme Waffeln.
Lange liege ich noch wach an diesem Abend und schiele mit einem Auge immer aus dem Fenster. Aber der Sturm (ich schätze mal, es wird Windstärke 6 oder 7 gewesen sein) hört nicht auf und die Wolken machen auch keine Anstalten, sich auch nur ansatzweise aufzulösen. Polarlichter fotografieren fällt also leider aus heute.
Na ja, C’est la vie. Den Wecker stelle ich mir trotzdem mal um 4:30 Uhr mitten in der Nacht. Wer weiß, vielleicht geschieht ja doch noch ein Wunder. Aber … nichts dergleichen. Ich schäle mich zwar aus dem Bett, der Blick nach draußen ist aber genauso langweilig wie einige Stunden zuvor. Also weiterschlafen. Irgendeinen Grund wieder zurück auf diese Insel zu kommen gibt es ja eh immer. Ich füge diesen also zur Liste mit hinzu … bin gespannt, wie lange sie am Ende des Urlaubes sein wird.
Ich weiß jedenfalls jetzt schon, das ich nächstes Mal etwas mehr Zeit in Höfn und Umgebung verbringen möchte. Den Hoffelsjökull kenne ich zum Beispiel noch gar nicht. Auch beim Heinabergsjökull bin ich noch nicht gewesen. Hvannagil Canyon und Raftagil Canyon wären ebenfalls nochmal Ziele, die sich garantiert lohnen und die ich bisher nicht kenne. Außerdem gibt es diverse Aerial Points hier, die sich gut für Luftaufnahmen eignen. Das benötigt alles Zeit.
Erster grober Plan daher: 2 Tage Südosten, 4 Tage Ostfjorde, 4 Tage Vík. Wann das sein wird in Zeiten von Corona bleibt abzuwarten. Aber man wird ja noch ein wenig träumen dürfen.
Gefahrene Kilometer heute: 203