Ein erster skeptischer Blick aus dem Fenster heute morgen sieht eigentlich gar nicht soooo übel aus. Vereinzelt sind ein paar kleine Wolkenlücken zu erahnen und schneien tut es immerhin auch nicht – obwohl das völlig anders angekündigt war gestern Abend. Aber die Wettervorhersage kann man sich hier in Island eigentlich auch schenken, soviel hab ich in den letzten Jahren dann auch mitbekommen. Der Myvatn im Winter scheint es gut mit uns zu meinen.

Der Frühstücksraum ist heute auch nicht wirklich voller als gestern Morgen, es scheint in der Tat so zu sein das sich in der gesamten Gegend hier am Myvatn schätzungsweise keine 100 Besucher aktuell aufhalten. Island kann so schön leer sein, wenn man in der richtigen Gegend ist *g* Nachdem wir ausgecheckt haben versuchen wir dann zum ersten Mal die Drohne in die Luft zu schicken. Es ist relativ windstill, das bietet sich also an. Aus irgendeinem Grund verlangt das blöde Ding aber ein ominöses Firmware-Update, ohne welches es nicht in die Luft steigen mag.

Um es kurz zu machen: Sämtliche Versuche dieses komische Update ohne PC aufzuspielen sind gescheitert in den nächsten Tagen, angeblich funktioniert das Ganze nur via USB und einer Software. Shit happens, so wird es also von diesem Urlaub keinerlei bewegten Bilder aus der Luft geben. Und dabei hatten wir uns alle so darauf gefreut. Na ja, c’est la vie. Wie gesagt, irgendwelche Gründe um wieder hierher zu kommen braucht man ja immer.

 

Myvatn im Winter

Der frühe Vormittag gestaltet sich heute jedenfalls relativ chaotisch. Eigentlich hatte ich gedacht wir könnten als erstes mal die Westseite des Dettifoss ansteuern, damit wäre dann der am weitesten entfernte Punkt vom Myvatn direkt mal abgehakt. Auf dem Weg zum Abzweig in Richtung Norden verschlechtert sich das Wetter aber mit jedem Meter den wir fahren und als wir links auf die #864 abbiegen halte ich kurz an um die Lage zu peilen.

Die Straße und alles links und rechts davon sind quasi eine einzige Schneefläche, man erkennt die Straßenführung nur noch relativ vage auf Grund der gelben Pfosten. Vor uns ist heute hier noch niemand entlang gefahren. Und das Wetter in Richtung Dettifoss schaut – gelinde gesagt – bescheiden aus. Man kann die Schneefront bereits erkennen die da angewalzt kommt.

Da ich bereits einmal im Mai hier gewesen bin, wo nicht einmal ansatzweise soviel Schnee gelegen hat, weiß ich aber, dass selbst DAS damals nicht angenehm zu laufen gewesen ist wenn man auf Parkplatz ankommt. Ich möchte mir daher gar nicht erst vorstellen, wie das heute sein muss. Zähneknirschend drehen wir daher um, in Richtung Myvatn scheint nämlich immer noch ein Wolkenloch zu sein.

On the road again

On the road again

 

Und in der Tat ist hinter dem Namafjall ein völlig anderes Wetter. Fast hat es den Anschein, als wenn die kleine Gebirgskette heute eine Art Schlechtwettergrenze zu sein scheint. Okay, der Improvisationsmodus wird im Hirn aktiviert, wir halten als Nächstes einfach mal bei der Grjotagjá würde ich sagen. Man muss halt flexibel sein am Myvatn im Winter.

Blick über den Namjafjall in Richtung Myvatn

Blick über den Namjafjall in Richtung Myvatn

 

 

Grjotagjá

Die kleine Grotte ist auch heute gut besucht, obwohl auf dem Parkplatz kaum Autos stehen als wir eintreffen. Da sich hinter uns gerade die Sonne anfängt sehenswert durch die Wolken zu kämpfen bleibe ich oben am Auto und verzichte auf einen erneuten Gang runter zum Wasser. Mehrmals bin ich jetzt schon dort unten gewesen, wirklich anders wird es hier und heute kaum aussehen. Außerdem sind mir die eh schon dicken Felsklumpen nach unten zu sehr vereist. Daher habe ich heute leider kein Foto für dich. Aber Robert macht zwei beeindruckende Aufnahmen …

Grjotagjá

Grjotagjá

 

Grjotagjá

Grjotagjá

 

Während die drei Anderen also die rutschigen Steine runter in die Grotte kraxeln, widme ich mich dem Hverfjall, der im güldenen Gegenlicht der noch tief stehenden Sonne geradezu mystisch auf einen wirkt. Welch ein genialer Anblick …

Hverfjall im mystischen Licht

Hverfjall im mystischen Licht

 

 

Dimmuborgir

Nächster Stopp ist Dimmuborgir. Letztes Mal haben hier schätzungsweise 50 Autos und auch mehrere Reisebusse gestanden, heute befinden sich gerade einmal zwei anderen Fahrzeuge mit uns auf dem Parkplatz. Meine Güte Island, Du platzt besuchertechnisch aber wirklich aus allen Nähten *g*

Gut zwei Stunden haben wir uns hinterher hier aufgehalten, während der gesamten Zeit sind uns 4 Menschen begegnet. Diese unglaubliche Ruhe am Myvatn im Winter, wenn mal keine Touristenströme hier unterwegs sind, kann man kaum in Worte fassen. Man hört rein gar nichts, außer den eigenen Schritten im Schnee und den Wind.

Dimmuborgir im WInterkleid

Dimmuborgir im WInterkleid

 

Dimmuborgir

Dimmuborgir

 

Ausblick von Dimmuborgir in Richtung Hverfjall

Ausblick von Dimmuborgir in Richtung Hverfjall

 

Als ich letztes Mal hier gewesen bin war Herbst und die Bäume und Sträucher haben in den schönsten Herbstfarben geleuchtet. In Verbindung mit dem schwarzen Lavagestein sah das schon umwerfend aus. Mit Schnee ist das aber noch einmal eine völlig andere Hausnummer. Ich weiß gar nicht welche Variante mich mehr beeindruckt, wenn ich ehrlich bin.

Gerade DAS macht Island aber eben auch aus … du kommst mehrmals an den selben Ort und trotzdem ist es jedes Mal völlig anders und so, als wenn du ihn zum ersten Mal besuchen würdest – nur das du Dich bereits auskennst.

 

 

Höfdi

Unweit von Dimmuborgir befindet sich Höfdi. Der Parkplatz hier war gestern nicht einmal anfahrbar weil dort so hoch Schnee gelegen hat. Heute ist die Zufahrt aber geräumt und wir gucken mal was uns dort so erwartet. Zwei Mal war ich hier ja schon, in erster Linie allerdings zum Sonnenuntergang oben auf dem Felsen am höchsten Punkt des Loops. Heute gibt es lediglich schöne Aussichten auf den See und die Umgebung … zum Sonnenuntergang sind wir hoffentlich bereits in Akureyri.

Der Myvatn im Winter bei Eis und Schnee

Der Myvatn im Winter bei Eis und Schnee

 

Hverfjall vom Gingustir-Trail aus gesehen

Hverfjall vom Gingustir-Trail aus gesehen

 

Sonnenstrahlen

Sonnenstrahlen

 

Wir laufen den Loop durch den Wald einmal komplett bis runter zum Aussichtspunkt auf die Tuff-Felsen im Wasser, diese liegen jetzt gerade allerdings blöderweise genau im Gegenlicht.

Höfdi im Winter

Höfdi im Winter

 

Höfdi gefällt mir irgendwie immer wieder gut. Der Weg durch den Wald mutet jetzt im Winter irgendwie an als wenn man sich gerade in der Phantasiewelt der Chroniken von Narnia befindet … nur das hier halt der sprechende Löwe fehlt. Ich hab keine Ahnung wo die Zeit schon wieder hin ist, jedenfalls ist es bereits früher Nachmittag und wir waren noch nicht einmal auf der anderen Seite des Námafjall. Dort geht es aber jetzt als Nächstes hin.

 

 

Námaskard Geothermal Area

Wir erreichen das Geothermalgebiet zwar noch bei halbwegs gutem Wetter, erleben hier aber wieder einmal hautnah, WIE schnell sich das auf Island alles ändern kann. Innerhalb weniger Minuten fängt es stark an zu schneien. Dazu kommt ein eisiger Wind, der einem regelrecht die Finger und das Gesicht gefrieren lässt. Wetter extrem, aber das gehört halt mit dazu, wenn man sich entschließt die Gegend um den Myvatn im Winter zu besuchen.

Die Sicht beträgt für kurze Zeit wieder einmal nur wenige Meter. Die weißen Dampfsäulen der Erdlöcher vermischen sich dermaßen mit den tief hängenden Wolken und dem Nebel, dass man nicht einmal erkennen kann, wo das eine aufhört und das andere überhaupt anfängt. Trotzdem gelingen uns noch vereinzelte Fotos in den Momenten, wo die Sonne kurz durch die Wolken geguckt hat.

Námaskard Geothermal Area

Námaskard Geothermal Area

 

Námaskard Geothermal Area

Námaskard Geothermal Area

 

Das 'S' bei der Námaskard Geothermal Area

Das ‚S‘ bei der Námaskard Geothermal Area

 

Eigentlich wollten wir jetzt noch weiter hoch zum Viti Krater, ab dem Kraftwerk war die Strasse aber gesperrt. Nicht durch irgendwelche Schilder, sondern durch einen Kleinwagen, der gerade versucht wurde von seinem Fahrer ausgebuddelt zu werden. Es schien fast so, als wäre er regelrecht in eine riesige Schneewehe mitten auf der Straße hinein gefahren ohne diese überhaupt zu sehen. Was soll man da noch sagen?

Da die Jungs aber offensichtlich mit zwei Fahrzeugen unterwegs gewesen sind und wir eh kein Abschleppseil im Auto gehabt hätten, hatten sich Überlegungen hier zu helfen schnell erledigt. Draußen war es wie aus Kübeln am schneien, da hat man ja irgendwie auch besseres zu tun *hust*

Heftiger Schneefall begleitet uns immer wieder im Laufe des Tages

Heftiger Schneefall begleitet uns immer wieder im Laufe des Tages

 

 

Fahrt nach Akureyri

Da wir heute noch nach Akureyri müssen zur nächsten Unterkunft und das Wetter nur schwer einzuschätzen ist, brechen wir rechtzeitig auf und fahren lieber die Strecke in aller Ruhe und – vor allen Dingen – noch bei Tageslicht. Schneesturm und Dunkelheit wären eine eher nicht so wünschenswerte Kombination.

Und in der Tat schüttet Frau Hölle … öhm … Holle unterwegs alles aus was sie hat. Es schneit und schneit und schneit. Nur mühsam kommen wir vorwärts, die Sicht ist teilweise quasi nicht vorhanden und beträgt über weite Strecken nicht einmal eine Pfostenlänge am Fahrbahnrand.

So ähnlich stellt man sich einen Whiteout vor. Man erkennt irgendwie nicht mehr wirklich etwas.

So ähnlich stellt man sich einen Whiteout vor. Man erkennt irgendwie nicht mehr wirklich etwas.

 

Dazu kommt uns noch zwei Mal ein Schneepflug entgegen. Die Schneesäule, die diese Dinger hinter sich herziehen, ist nicht mehr feierlich. Ich stoppe den Wagen, an Fahren war in dem Moment nicht mehr zu denken. Das Ende der eigenen Motorhaube war quasi nicht mehr zu erkennen. Sekunden zwischen hoffen und Bangen. Was ist, wenn hinter uns jemand nicht den gesunden Menschenverstand eingeschaltet hat und einfach weiterfährt? Gott sei Dank geht aber alles gut.

Auch meine Befürchtung, der Pass vor Akureyri könnte vielleicht gesperrt werden, bewahrheitet sich nicht. Ich kann nur erahnen, WIE die Straßenverhältnisse hier sein müssen um eine Sperrung zu rechtfertigen, denn eigentlich geht hier jetzt gerade mit einem normalen Fahrzeug schon so gut wie nichts mehr.

Als wir den Pass auf der anderen Seite schließlich wieder hinunter fahren fällt mir regelrecht ein Stein vom Herzen. Selten hab ich mich glaube ich mal so gefreut, das ich einen blöden Berg mit dem Auto ‚geschafft‘ habe. Viel später hätten wir jedenfalls nicht losfahren dürfen am Myvatn. Als ich etwas später die Straßenzustände auf road.is nochmal kontrolliert habe, war der Pass nämlich rot … also gesperrt. Wir wären nicht mehr durchgekommen.

 

Unterkunft und Entscheidungsfindung

Unsere Unterkunft hier in Akureyri habe ich vor drei Tagen erst via AirBnB gebucht, die Wahl ist auf ein Loft direkt im Zentrum gefallen. 120qm, drei Schlafzimmer, offene Küche, Waschmaschine und allen Zipp und Zapp gibt es hier. Perfekter hätte die Bude nicht sein können. Gemütlich sitzen wir am großen Tisch abends und spielen ein paar Runden Rommé, während Frau Holle weiter Ihr weißes Winterkleid über die Stadt ausschüttet.

Immer wieder checken wir Straßenzustände und Wettervorhersage. Heute war nämlich der Tag an dem wir uns entscheiden mussten ob die weitere Reise gen Osten geht und wir zwei Nächste in Egilsstadir bleiben, oder ob wir wieder via Westen in den Süden fahren. Zugegeben, ich hatte mich tierisch auf den Osten gefreut. Die Ostfjorde bei schönem Wetter und mit Schnee sind sicherlich ein absoluter Wintertraum.

Aber für die nächsten vier Tage war starker Schneefall im gesamten Osten angekündigt. Für den Westen und Süden hingegen schaut die Vorhersage relativ gut und sogar stabil aus. Die Entscheidung wurde uns also eigentlich relativ leicht gemacht. So gerne ich auch in den Osten gefahren wäre, wenn dort anhaltender Schneefall herrscht macht man halt nicht wirklich viel.

Vermutlich kann man sogar froh sein, wenn man hinterher dort überhaupt noch weg kommt. Also hab ich die Unterkunft in Egilsstadir storniert und wir werden Morgen guter Dinge gen Westisland mit Tagesziel Hotel Hafnarfjall fahren. Dort war ich bereits zwei Mal, kann mal also empfehlen.

Als ich irgendwann gegen 23.30 Uhr zum letzten Mal aus dem Fenster nach draußen schaue schneit es immer noch ergiebig. Gegenüber schließt gerade ein Café und der letzte Angestellte verriegelt mit Shorts und Pulli die Türe. Öhm … nichts bei denken, Island eben. Das Temperaturempfinden scheint hier irgendwie anders zu sein als man es gewohnt ist.

Ich hoffe nur, der Pass ist morgen früh nicht gesperrt und erlaubt es uns hier überhaupt raus zu kommen aus Akureyri. Alles andere würde eine größere Modifizierung der Reisepläne bedeuten. Wir werden es sehen. Gute Nacht …