2.Woche / 1.7.2020 – 7.7.2020
Mittwoch, 1.7.2020 / Dynjandi – Sandafell Mountain – Þingeyri
Heute steht ein weiteres Highlight am Programm: der Dynjandi, DER Wasserfall in den Westfjorden. Ich bin gespannt, wie viele Leute in Corona-Zeiten dort sind.
Doch zunächst fahren wir zum Fossa Waterfall. Das Wetter ist wie in den letzten Tagen fast zu schön, um wahr zu sein. Hoffentlich kehrt sich das nicht in Folge ins Gegenteil und wir haben im Osten wieder nur Nebel und Regen.
Die 63 schlängelt sich am Ufer des Fjords entlang, anfangs ist die Straße noch asphaltiert. Doch selbst da bringt der Tempomat nichts, ständig gibt es in den Kurven Geschwindigkeitsbegrenzungen und man tut gut daran, sich danach zu richten. Dazu geht es auf und ab, mir kommt dabei „Stairway to Heaven“ in den Sinn. Nach beinahe jeder Kurve gibt es großartige Aussichten. Neben der Straße sind Schneefelder, der Sonnenschein gaukelt eine wärmere Außentemperatur vor, als es tatsächlich hat. Durch den Wind ist es doch empfindlich kühl!
Es kommen uns kaum Autos entgegen, nur eine Entenfamilie mit reizenden Küken quert auf ihrem Weg zum Meer vor uns die Fahrbahn.
Der Fossa Wasserfall ist gleich neben der Straße, doch es gibt keinen Parkplatz. Erst ein paar Meter weiter können wir das Auto am Rand abstellen. Kaum aus dem Auto werden wir wieder von den Midges überfallen. Die sind enorm lästig, ich kann mich gerade noch so ihrer erwehren, indem ich die Kapuze über den Kopf ziehe und Sonnenbrillen trage. Trotzdem beeilen wir uns am Wasserfall, nach knapp einer halben Stunde sind wir schon wieder im Auto.
Jetzt kommt wieder ein toller Straßenabschnitt, direkt am Berg, der schräg zum Fjord abfällt. Hier packen wir wieder die Drohne aus, diesmal wollen wir unsere Fahrt verfolgen lassen. Karsten kann aber beim besten Willen keine solche Funktion in der DJI App finden. So bleibt ihm nichts anderes übrig, als die Drohne händisch im Auto zu steuern, während ich sehr langsam fahre. Zum Glück kommt uns auf den nächsten Kilometern kein Auto in die Quere. Aber der Drohne fast ein Berg. Karsten landet die Mavic aber sicher wieder auf unserem Autodach und wird sich am Abend schlaumachen.
Um die Mittagszeit kommen wir zum Dynjandi. Erst kurz vor dem Parkplatz sieht dem den gigantischen Wasserfall. Eine Handvoll Autos parkt hier, vielleicht sechs oder sieben, nichts im Vergleich von den Massen, die sich zu regulären Zeiten hier aufhalten sollen. Zumal auch die Passagiere der großen Kreuzfahrtschiffe hierher gekarrt werden. Davon ist heute allerdings nichts zu sehen, die Leute verlaufen sich in dem riesigen Areal.
Der Wasserfall allein ist schon äußerst beeindruckend, doch die vielen unzähligen Kaskaden, die unterhalb durch ihre Gischt alles in eine verwunschene Landschaft verwandeln, setzten dem Ganzen die Krone auf!
Der Aufstieg zum Dynjandi ist mühselig und meine Knie jubeln schon ob des Abstieges. Karsten schwitzt besonders, denn er muss wegen seines Sonnenbrands auf beiden Armen die Windjacke tragen! Doch was sein muss, das muss sein und oben am Fuß des Wasserfalls erfrischt uns ein Dauernieseln. Das wird für die Langzeitaufnahmen eine Herausforderung, wir sind nur noch am Wischen.
Beim steilen Abstieg verwende ich mein Stativ als Gehstock. Karsten schimpft über einen Typ, der sein Stativ geschultert trägt – mit der montierten Kamera darauf. Aber wenigstens hat er feste Slipper an.
Irgendwo habe ich im Laufe des Tages die Augenmuschel meiner Kamera verloren. Schon wieder. Aber es geht notfalls auch ohne.
Beim Museum in Hrafnseyri machen wir kurz Halt, die Dame, die vor dem alten Bauernhof strickend in der Sonne sitzt, bittet uns hinein. Wir sind nicht ungesellig und kaufen ihr eine Jause im Café ab.
An der Zufahrtsstraße zum Fossdalur steht ein Schild in isländisch. Wir übersetzen es so recht und schlecht, da steht, dass man wegen der brütenden Vögel nicht durchfahren darf. Stattdessen fotografieren wir die unzähligen Seeschwalben, die hier scheinbar schwerelos in der Luft schweben. Eigentlich fliegen sie gegen den starken Wind und kommen deshalb nicht von der Stelle. Auch sehr seltsam!
Kurz vor unserem heutigen Endziel will ich noch den Sandafell Mountain mit dem Auto erklimmen. Im Vorfeld habe ich schon gelesen, dass die Anfahrt sehr herausfordernd ist. Das knapp 2 km lange Stück hat es wirklich in sich: mit händischem Getriebe fahre ich im 1. Gang über kindskopfgroße Steine. Sehr langsam und uns schüttelt es nach allen Seiten.
Rechts und links wachsen wieder sehr üppig die Lupinen, was dem Ganzen einen liebreizenden Anstrich gibt. Doch 500 m vor dem Gipfel gebe ich w.o., hier ist kaum ein Weg mehr zu erkennen, nur noch blanker Felsen und Geröll und das in einer furchteinflößenden Steigung. Neben der „Straße“ geht es steil bergab. Todesmutig wende ich den Wagen und parke ihn auf einer 15%igen Steigung mit der Schnauze bergab. Ich hoffe, das hält so.
Wir marschieren noch ein Stück hinauf, bis wir auf Þingeyri runterschauen können und machen ein paar Bilder von der überwältigenden Aussicht. Dann schauen wir aber, dass wir wieder zum Auto kommen!
Gottseidank wurden diese Bilder nicht die letzten die uns lebend zeigen und wir schaffen es wohlbehalten ins Hótel Sandafell. Unser Zimmer mit Gemeinschaftsbad ist winzig und kahl, für 3000 Kronen (ca. 19 Euro) können wir auf ein Zimmer mit Bad upgraden. Das freut mich, denn das Hotel ist doch relativ gut gebucht.
Der Shop bei der Tankstelle ist die einzige Möglichkeit, um hier Lebensmittel zu kaufen. Wir erwerben die einzige Flasche After Sun Balsam. Dass ich so etwas in Island brauche, hätte ich auch nicht geglaubt.
Unser Hotel hat auch das einzige Restaurant des Ortes, weshalb die Lokalwahl nicht schwer war. Jö, es gibt Spargelsuppe! Die liebe ich und bekomme sie so selten. Die Barbecues-Pizza ist nicht zu empfehlen.
Bei der Abrechnung der Unterkunft und des Nachtmahles werden uns nur 108 Euro für das Zimmer verrechnet. Soviel kostet es, wenn man es heute bucht. Als ich die Reservierung gemacht habe, kostete das Zimmer mit Gemeinschaftsbad schon 135 Euro. Ich beschwere mich nicht, vielleicht kommt ja morgen eine Nachzahlung.
Donnerstag, 2.7.2020 / Skrudur Botanical Garden – Latrar Air Station – Ósvör Museum – Ísafjörður
Von der Pizza haben wir beide des Nächtens noch etwas gehabt. Ein Rennie eingeworfen und gut ist’s! Doch dadurch sehe ich kurz nach ein Uhr das erste Mal Island ohne Sonne. Der Hafen, den wir von unserem Zimmerfenster überblicken, ist in ein diesiges oranges Licht getaucht. Dichter Nebel hat sich über die Stadt gebreitet.
In der Früh ist es noch leicht neblig, doch bei der Abfahrt lacht wieder die Sonne vom Himmel! Ich kann mich gar nicht an der herrlichen Landschaft sattsehen. Ich werde an unseren Urlaub in Kanada und den Banff Nationalpark erinnert, da hatte ich auch schon das Gefühl, durch eine Postkartenansicht zu fahren. Genauso ergeht es uns hier!
Eine Überraschung ist der Skrudur Botanical Garden auf der 624. In dieser kargen Gegend würde man nicht so eine Fülle an Pflanzen erwarten. Der Eintritt kostet 300 Kronen pro Person. Da wir keine Kronen haben (wir bezahlen in Island alles per Kreditkarte), geben wir 5 Euro in den vorgesehenen Behälter.
Wir sind allein hier und zugegebenermaßen ist der Garten auch sehr überschaubar. Wir wissen nicht so recht, was wir hier fotografieren sollen, viele der Blumen sind schon am Verblühen. Doch dann entdecken wir in den schattigeren Ecken den Morgentau, der wie kleine Diamanten die Blätter eingefasst hat. Das sind doch tolle Motive für Nahaufnahmen! Am unteren Ende ist noch ein markanter Bogen aus zwei Walrippen, das schaut auch gut aus.
Der Ort Flateyri wurde 1995 von einigen Lawinen heimgesucht, dass jetzt Lawinenverbauungen die Abgänge umleiten und weitere Unglücke verhindern sollen. Wir drehen mit dem Auto eine Runde durch den beschaulichen Ort, zum Aussteigen ist er zu unspektakulär.
Kurz nach dem Ort wagt Karsten noch einen Versuch der Drohnenverfolgung. Er hat sich gestern ein YouTube Video angeschaut und weiß nun, dass es geht. Am Anfang will es allerdings nicht so recht funktionieren, erst als er die Bilderrate auf 30 Bilder/Sekunde runterschraubt und den Sportmodus wählt, macht die Mavic endlich, was wir wollen.
Bei der Einfahrt in den Vestfjarðagöng passiert es: Ich komme viel zu weit nach rechts und mit einem lauten Rumms kracht der Beifahrerspiegel gegen ein Hindernis. Der Spiegel hängt nur noch an den Kabeln und Karsten muss die 9 km mit der Hand den Spiegel halten, weil wir befürchten, dass er sonst abfällt.
Nach dem Verlassen des Tunnels bleiben wir gleich stehen und besehen uns den Schaden. Zum Glück ist der Spiegel nur aus der Verankerung gerutscht und Karsten kann ihn wieder auf seinen Platz drücken. Da hab ich aber noch Schwein gehabt!
Der Wasserfall in Tunguskogur scheint keinen offiziellen Namen zu haben, liegt aber ganz reizend inmitten von Blumenfeldern und grünem Gras. Wir haben jede Zeit der Welt und wandern zuerst die rechte Seite und dann – etwas abenteuerlicher – die linke Seite der Kaskaden empor, wo viele Lupinen nach einem Foto schreien.
Vom Sommer kommen wir direkt in den Winter, zumindest hat es den Anschein. Die Straße zur Latrar Air Station empfängt uns mit meterhohen Schneewänden. So surreal! Die zwei Kilometer bis zur Station sind auch ziemlich abenteuerlich, wir sind halt gewohnt, dass Bergstraßen seitlich gesichert sind. Hier fährt man auf Schotter und nichts hält dich auf, wenn du einen spektakulären Abgang machen willst.
Wir wollen nicht und schleichen im 2. Gang die steile Straße hinauf. Oben sind doch relativ viele Autos, sechs oder sieben an der Zahl.
Der Ausblick von hier oben ist großartig, das Meer tief unter uns dunkelblau und die Berge noch teilweise mit Schnee bedeckt. Ein bissel wie das Ende der Welt.
Den folgenden Tankstopp nutzen wir, um den Wagen zu waschen. Das kostet nichts und ich gehe mit dem wasserspritzenden Besen einmal um das Auto herum. Es war schon notwendig!
Der letzte Punkt am Tagesplan ist das Ósvör Museum. Doch hier herrscht fast Massenansturm, drei Autos und eine Handvoll Leute stehen herum. Das ist uns zu voll und wir fahren ein paar Meter weiter und toben uns beim Bolungarvik Leuchtturm aus.
Bevor wir bei unserer Unterkunft einchecken, fahren wir noch zum Aussichtspunkt Naustahvilft – The Troll Seat.
Die 500 m steil bergauf mag Karsten aber nicht mehr gehen, alternativ denken wir daran, die Drohe steigen zu lassen, um eine hübsche Luftaufnahme von Ísafjörður zu machen. Da donnert ein Kleinflugzeug über unsere Köpfe, wir stehen keine hundert Meter neben der Startbahn des örtlichen Flughafens! Nun, das wird dann natürlich nix.
Zum dritten Mal fahren wir heute in Ísafjörður ein, diesmal um zu bleiben. Das Hótel Ísafjörður schaut von außen wie ein DDR-Wohnsilo aus, doch die Zimmer sind schön groß und bestens ausgestattet, an der Garderobe hängt sogar ein langer Schuhlöffel. Dazu haben wir noch einen tollen Blick über den Fjord und die Berge. Nur das WLAN Signal ist sehr mau.
Nachdem wir wieder viel früher als angenommen im Hotel sind, können wir uns noch den seltenen Luxus leisten, ein wenig durch die Stadt zu bummeln. Obwohl diese sehr weitläufig ist, ist die „Einkaufsstraße“ sehr kurz. Man sieht keine Touristen, zumindest nicht augenscheinlich. Am Ende der Straße ist das Restaurant Húsið, wo wir am Abend essen wollen. Wir reservieren einen Tisch und erfahren, dass es heute auch ein Konzert dort gibt. Wir sind gespannt!
Wir betreten das gemütliche Lokal kurz vor acht, fast alle Tische sind bereits besetzt. Von Corona ist hier nichts zu merken, die Leute drängen sich dicht an dicht. Bei den meisten Sehenswürdigkeiten und auch beim Hot Pot hängen Tafeln, auf denen ein 2 Meter Abstand empfohlen wird. Hier ist Social Distance offensichtlich kein Thema. Irgendwie sehr entspannend!
Das Essen dauert ein wenig, ist aber umwerfend gut. Gegen neun Uhr beginnt eine junge isländische Sängerin ihre Lieder vorzutragen. Zu Beginn fragt sie in die Runde, ob es im Publikum Leute gibt, die nicht isländisch sprechen. Von den ca. 40 Gästen heben vielleicht 8 die Hand.
Nach ein paar Liedern verlassen wir das Húsið und machen einen Verdauungsspaziergang zum Hafen, wo normalerweise die großen Kreuzfahrtschiffe anlegen. Hier ist alles verwaist. Am Weg zurück zum Hotel diskutieren wir über die aktuelle Situation im isländischen Tourismus und ob man aus der „toten“ Zeit etwas für die Zukunft überlegt hat. Machen Flugregulierungen oder sogar ein Visum Sinn um die Besuchermassen zu steuern?
Wie auch immer, zurzeit ist es einfach nur traumhaft in Island!
Freitag, 3.7.2020 / Valagil Wasserfall – Arngerðareyri Kastallin – Hólmavík
Beim Frühstück ist die Hölle los, es gibt sie also doch, die Touristen in Island. Da wird am Buffet gedrängelt, als gäbe es kein Morgen! Kein Gedanke an einen Mindestabstand – man könnte ja irgendetwas verpassen …
Wir lassen uns Zeit, denn heute haben wir nur zwei Stopps.
Dafür schauen wir beim Frühstück direkt auf den Fjord. Endlich ein paar Wolken am Himmel – das freut den Fotografen! Zum Glück funktioniert der Aufzug wieder, gestern Abend war er kaputt und wir mussten schon befürchten, unsere Koffer drei Stockwerke hinunterzutragen.
Um halb zehn verlassen wir Ísafjörður, hier hat es uns sehr gut gefallen. Ich fahre mit gemütlichen 70 km/h (erlaubt sind. 90 km/h), um den einen oder anderen Fotospot zu entdecken. Bei ein paar sehr licht gebauten Holzhütten bremse ich mich ein, denn ich habe die Fische erspäht, die in diesen Gestellen zum Trocknen aufgehängt sind.
Beim Aussteigen werden wir von ein paar Seeschwalben ins Visier genommen, die mit lauten Schreien knapp an unseren Köpfen vorbeizischen. Wir machen ein paar Bilder von den Trockengestellen und dem Stockfisch. Die Vögel lassen uns in Ruhe und die Schafe schauen gelangweilt.
Zum Valagil Wasserfall müssen wir 2 km über flaches Gelände gehen. Auf halber Strecke leite ich uns irrtümlich vom Weg ab und wir enden in sumpfigen Gras. Meine Schuhe sind in kürzester Zeit durchgeweicht und wir schauen schnellstens, dass wir wieder auf den trockenen Weg zurück finden.
Der Wasserfall, den man bereits vom Parkplatz aus sieht, ist allerdings nicht der Valagil. Der ist in einer tiefen Schneise rechts vom Weg und deshalb auch viel näher als angenommen. Er ist kein fotografisches Highlight, sehr hoch und dünn, noch dazu liegt er in der prallen Mittagssonne. Gäbe es in der Gegend Alternativen, würde ich mir den Weg vermutlich sparen.
Nach diesem zweistündigen Ausflug fahren wir weitere zwei Stunden den Álftafjörður, den Seyðisfjörður, den Hestfjörður, den Skötufjörður und den Ísafjarðardjúp entlang. Am Ende der Fjorde schießt alle paar Meter ein Miniwasserfall die Felsen hinab. Große Wasserfälle schneiden tiefe Kerben in den Berg und ergießen sich endlos in das dunkelblaue Wasser des Fjords. Und immer wieder die schneebedeckten Berge im Hintergrund. Eine faszinierende Gegend!
Völlig überraschend spiegeln sich in völliger Abgeschiedenheit plötzlich über hundert abgestellte Autos in der Sonne. Ob das ein Autofriedhof ist? Wir können es beim Vorbeifahren nicht feststellen. Ebenso verblüffend die Feststellung, dass es in den Fjorden Schwäne gibt. Das hätte ich jetzt auch nicht so vermutet.
Nach besagten zwei Stunden erreichen wir unseren zweiten Fotostopp: das Arngerðareyri Kastallin. Dieses verlassene Haus verfällt langsam vor sich hin und hat ein bisschen was von einem alten Schloss.
Wir fahren ein paar Meter einen Weg zum Strand und steigen aus. Nach ein paar Schritten werden wir schon wieder von Seeschwalben attackiert. Aus dem Nichts schießen sie mit einem lauten Schrei zu uns herunter und verfehlen uns nur um Zentimeter. Was ist denn da los? Ich komm mir vor wie im Film „Die Vögel“. Au, jetzt hat mich so ein aggressiver Vogel doch tatsächlich in den Kopf gepikt! Das tut richtig weh!
Rückzug zum Auto, wahrscheinlich sind wir ihrem Gelege zu nahe gekommen. Neben der Straße, nah am Auto, machen wir schnell ein paar Bilder, bevor die Viecher wieder angreifen können.
Zum Finna Hotel sind es jetzt nur noch 50 Kilometer, wir sind wieder etwas früh dran. In gemächlichem Tempo fahre ich nach Motiven suchend weiter. Immer wieder lasse ich die Autos hinter mir überholen, normalerweise bin ich diejenige, die überholt.
Gleich neben der Straße gibt es viele kleine Wasserfälle, sogar Mini-Canyons, doch leider fällt das Bankett so steil ab, dass ich nirgendwo halten kann.
Dann checken wir halt um 15 Uhr ein, was soll’s? Und gleich unter die Dusche – mit den Schuhen. Also, die hab ich schon vorher ausgezogen. Aber die sind so dreckig und das Waschbecken winzig. Jetzt hängen sie im Handtuchtrockner und bekommen hie und da eine Ladung heiße Luft aus dem Fön. Für den Abend habe ich eh noch ein Ersatzpaar mit.
Hólmavík ist ein beschauliches Dorf. Wir spazieren neben der modernen Kirche ins Zentrum hinunter und reservieren im Café Riis einen Tisch für 8 Uhr. Das Restaurant ist bummsvoll, ich frag mich, wo die Leute alle herkommen. Es ist aber auch das einzige Lokal im Umkreis von 25 Kilometern.
Das urige Lokal aus dem Jahre 1897 bietet eine grandiose hausgemachte Pizza an. Ungewöhnliche Zusammenstellung (ich hatte Quattro Formaggio mit Feigen und extra Johannisbeermarmelade), aber sehr gut! Wir haben erfahren, dass man bis zu einer Viertelstunde vor Schließung (und das ist in Island zumeist 21 Uhr) noch etwas zu essen bekommt. Die nette Bedienung schenkt uns noch zwei Eisschlecker für den Nachhauseweg.
Samstag, 4.7.2020 / Djúpavík – Húsárfoss – Krossneslaug
Das Hotel Finna kann sich bestimmt nicht über eine schlechte Buchungslage beklagen. Beim Frühstück habe ich 15 Gäste gezählt, die sich auf den 5 Tischen oft zusammensetzen mussten. Das ist erstaunlich, denn ich dachte nicht, dass es so viele Leute nach Hólmavík verschlägt.
Das Auto wird aufgetankt und schon sind wir wieder unterwegs. Nicht sehr weit, denn nach ein paar Kilometern bleibe ich wieder stehen, weil ich mich nicht entsinnen kann, dass ich heute meinen Kontaktlinsenbehälter eingepackt habe. Da schau ich lieber noch einmal im Koffer nach.
Zwei Stunden Fahrt bis nach Djúpavík sagt das Navi. Heute zieren ein paar verwischte Wolken den blauen Himmel. Eine Stunde und 15 Minuten später hat sich er Himmel komplett zugezogen und wir parken vor unserer Unterkunft, dem Hotel Djúpavík.
Ich habe im Vorfeld angekündigt, dass wir am Weg Richtung Norden Halt machen und unser Gepäck hier lassen. Der Manager begrüßt uns herzlich und gibt uns ein paar Tipps zu unserer Weiterfahrt. Ich erwähne, dass das letzte Stück der F649 erst seit ca. zwei Wochen offen ist. Er lacht und sagt, die ist seit Mai offen, aber man will offenbar nicht, dass so viele Touristen da hochfahren. Er erkundigt sich nach unserem Auto und meint, dass es kein Problem geben wird, man muss halt langsam fahren. „Was bedeutet langsam – sechzig?“, frage ich. „Zwanzig“, sagt er. Alles klar!
Wir stellen die beiden Schalenkoffer unter und machen uns auf den Weg nach Norden des östlichsten Zipfels der Westfjorde.
Ich komme sehr gut weiter, die Gravelroad windet sich bergauf und bergab den Fjord entlang. Die letzten 6 Kilometer vor dem Húsárfoss haben es dann in sich. Große Mengen an Schwemmholz rechts und links der „Straße“, bei den vielen Steinen auf der Fahrbahn habe ich den Eindruck, die wurden auch von der Flut angeschwemmt. Löcher, in denen man ein Schaf verstecken könnte und ebenso tiefe Querrippen. 20 km/h ist schon Luxus, die meiste Zeit schaukle ich mit 10 km/h durch die Gegend. Und wer meinen Fahrstil kennt weiß, wie übel die Straße ausschauen muss!
Hie und da kommen uns große SUVs entgegen, die meisten halten 50 oder sogar 100 Meter vor mir und warten, bis wir vorbei sind. Da gibt es kein Hetzen, da muss man Zeit haben. Aber ich muss sagen, ich hätte es mir schlimmer vorgestellt. Das liegt aber sicherlich auch am extrem langsamen Tempo.
Dann sind wir am Parkplatz vom Húsárfoss, es stehen zwei weitere Autos da. Uns ist beim Aussteigen richtig kalt, da kommen zwei Schichten über die sonnenverbrannten Arme!
Der Wasserfall scheint sehr weit entfernt, angeblich soll man in 15 Minuten dort sein. Wir machen uns mit vollem Marschgepäck inklusive Drohne auf den Weg.
Des Rätsels Lösung: man kommt gar nicht bis zum Wasserfall, der Fluss versperrt uns den Weg. Das ist aber auch gar nicht notwendig, denn der breite Wasserfall schaut aus der Entfernung sowieso gewaltiger aus.
Mit der Drohne machen wir auch noch beeindruckende Aufnahmen, in dem wir die Kamera vertikal nach unten ausrichten.
Wir sind gerade fertig, da nähern sich von allen Seiten Leute. Wo kommen die denn plötzlich alle her?
Am Parkplatz sind jetzt mehrere Autos, eine Familie veranstaltet sogar mit offenem Kofferraum ein Familienpicknick und filmen sich dabei mit einer Phantom. Lauschig!
Wir sind auf jeden Fall sehr froh, wieder im warmen Auto zu sitzen. Zum Rjúkandafoss und zum Hvalárfoss wollen wir nicht mehr. Weder haben wir Lust auf eine 7 Kilometer Wanderung noch auf weitere 6 Kilometer auf dieser extremen Straße.
Also fahren wir zum Krossneslaug, einem Freibad, das von heißen Quellen gespeist wird. Das Bad befindet sich nur wenige Meter neben dem Nordatlantik. Der Eintritt beträgt 700 Kronen pro Person und es herrschen strenge Regeln, was den Besuch eines isländischen Bades betrifft. Beim Eingang entledigt man sich seiner Schuhe und dann trennen sich Männer und Frauen zum Umziehen. Vor dem Baden müssen sich alle ohne Badekleidung mit Seife duschen, es gibt sogar eine Anleitung, wo man sich überall waschen soll.
Die Luft ist kalt, doch das Wasser hat angenehme 30 Grad. Es sind sehr viele Leute im Wasser, aber das Becken ist groß genug, damit man sich nicht allzu nahe kommt. Wir hängen uns an den Rand und genießen den Blick über das stürmische Meer.
Es sind fast nur Isländer da, im Hot Pool (38 Grad) kommen wir mit zwei Männern ins Gespräch. Sie erzählen, dass die Isländer jetzt auch die Gelegenheit wahrnehmen, um im eigenen Land zu reisen.
Zurück im Hotel können wir nun auch unser Zimmer beziehen. Das Hotel wurde 1985 von einem Ehepaar eröffnet, das Haus diente bis 1968 den Arbeiterinnen der Fischfabrik als Unterkunft. Zu diesem Zeitpunkt war der Ort menschenleer.
Die Zimmer sind klein und es gibt ein Gemeinschaftsbad für Männer und eines für Frauen. Das Hotel ist sehr urig eingerichtet und erinnert ein bisschen an eine Skihütte.
In Djúpavík wurden Teile des Films Justice League gedreht. Unter anderem die Szene, in der Aquaman (Jason Momoa) ins Meer geht und abtaucht. Im Restaurant hängt ein Bild mit den Autogrammen von Ezra Miller (The Flash), Henry Cavill (Superman), Ray Fisher (Cyborg), Gal Gadot (Wonder Woman), Ben Affleck (Batman) und Jason Momoa (Aquaman). Wir sind große Fans dieser Comicverfilmungen und sind dementsprechend beeindruckt.
Nach dem Nachtmahl quatschen wir noch ein wenig mit der Tochter der Besitzer und ihrem Mann, dem Manager von heute Vormittag. Sie erzählen von den Dreharbeiten im Oktober 2016. Dann schnappen wir unsere Kameras und gehen noch zum rostigen Schiffswrack MS Suðurland. Am Weg dorthin werden wir wieder von Seeschwalben attackiert, also gehen wir um die alte Fischfabrik herum. Auf der anderen Seite – die auch die Fotogenere ist – lassen sie uns in Ruhe.
Sonntag, 5.7.2020 / Fahrt nach Sauðárkrókur
Wieder ein ausgezeichnetes Frühstück mit frischem Brot genossen. Bei der reichlichen Auswahl fällt es immer schwer, nicht alles zu kosten. Aber das wäre selbst mir zu viel!
Heute haben wir keine Programmpunkte am Plan, es gilt nur Kilometer zu machen. Das Navi gibt uns fünf Stunden Fahrzeit für die 295 km nach Sauðárkrókur vor. Zeit genug, um sich in Djúpavík noch ein wenig fotografisch zu betätigen.
Wir schicken die Drohne aus, um ein Luftbild von der Siedlung zu machen und dann nehmen wir uns noch einmal die verrosteten Überreste des Schiffes vor.
Die ersten 150 km sind sehr abwechslungsreich, abgesehen davon, dass wir die Strecke gestern in die andere Richtung schon gefahren sind. Gravelroad wechselt sich mit Asphalt ab. Es kommen uns auch nur eine Handvoll Auto entgegen. Ganz anders aber der Ringstraße. Hier kommen mir pro Minute 10 Autos entgegen und die Landschaft ist unspektakulär.
In Blönduós tanken wir und füllen unsere Snacks für unterwegs auf. Um 15 Uhr parken wir vor dem Hótel Tindastóll in Sauðárkrókur ein. Aus den fünf Stunden sind nur vier geworden, dabei habe ich mich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzungen gehalten!
Das Hótel Tindastóll aus dem Jahr 1884 gilt als ältestes Hotel Islands und eines der ältesten Holzhäuser der Insel. Ich habe ein Deluxe Zimmer im alten Teil gebucht und wir bekommen das schönste Zimmer des Hotels (Nr.1). Immerhin hat hier auch schon der Präsident von Island hier genächtigt. Marlene Dietrich soll auch schon in diesem Hotel abgestiegen sein.
Wie auch immer, das Zimmer ist toll! Sehr groß mit einer offenen Decke und alten Holzbalken. Obwohl alles antik, ist das Zimmer und das Bad blitzsauber! Ein großes Bett, zwei Einzelbetten (die wir als Kofferablage nutzen) und eine hübsche Sitzecke mit Biedermeier-Sofa und zwei Fauteuils. Wir sind begeistert!
Von Karstens Militärstiefeln löst sich langsam aber sicher die Gummisohle. Das dürfen sie auch nach 13 Jahren. In Blönduós haben wir einen Spezialkleber gekauft und nun kleben und pressen wir gemeinsam die Sohle wieder an seinen Platz. Bis morgen benützt Karsten wieder meine Ersatzschuhe, sonst müsste er mit den Gummistiefeln gehen.
Ich schau mir auf Google Maps die Gegend etwas an und finde ein paar Kilometer außerhalb eine fantastische Flussmündung, die sich hervorragend für einen Aerial-Shot eignet. Wir packen also die Drohe und fahren los. Weil bei der Ausfahrt gerade die Straße erneuert wird, gibt es eine Ampelregelung mit einem Follow Me Car. Wir warten fast 10 Minuten, einigen Autos in der Warteschlange wird es zu lang und sie drehen um.
Wir stellen uns auf einen Parkplatz neben der Flussmündung und merken beim Aussteigen, dass es viel zu windig zum Fliegen ist. Also nix mit Lustig, vielleicht ist es morgen früh besser, wir fahren sowieso wieder vorbei.
Im KK Restaurant reservieren wir noch schnell einen Tisch für 20 Uhr. Das ist praktischerweise nur ein paar Schritte von unserem Hotel entfernt.
Im Zimmer schreibe ich meinen Bericht und um sechs duschen wir (jetzt wissen wir ja, wie es geht) und begeben uns danach in den hoteleigenen Hot Pot im Garten. Er ist ein Nachbau des 15 km entfernten Grettislaug. Das Wasser hat 39 Grad. Ich finde es angenehm, Karsten hat das Gefühl, gekocht zu werden und schnauft beim Hineingehen, als hätte er gerade Presswehen. So unterschiedlich ist unser Temperaturempfinden.
Wir sind allein im Hot Pot, was ein bissel schade ist, denn hier trifft man sich zum Plaudern. Aber es scheinen nicht viele Gäste hier abgestiegen zu sein, wir sehen nur zwei ältere Paare, die an uns vorbei in den Annex des Hotels gehen.
Im Restaurant hätten wir heute nicht reservieren müssen, es war fast leer. Trotzdem warten wir eine Dreiviertelstunde auf unser Essen. Die Bedienung entschuldigt sich für die lange Wartezeit. Ein paar Tische weiter sitzen vier gestandene Männer, die unüberhörbar aus Tirol sind. Später sehen wir sie in der Lobby unseres Hotels wieder. Ich rede absichtlich recht laut in Deutsch, doch die Herren sind sich offenbar Gesellschaft genug und wir gehen auf unser Zimmer.
Montag, 6.7.2020 / Grafarkirkja – Hofsós – Siglufjördur – Akureyri
Im Keller des Hotels ist der urige Frühstücksraum, man glaubt sich fast in einer Berghütte. Es gibt frisches Brot, damit ist es für mich schon großartig! Selbst die Butter schaut selbstgemacht aus – definitiv der beste Aufenthalt bislang!
Wir versuchen es wieder mit dem Aerial-Shot nach der Brücke. Heute ist es nahezu windstill, aber ziemlich neblig. Bei 120 Meter (die maximal erlaubte Höhe) kann man die Form der Mäander allerdings nur erahnen, für einen besseren Blick müssen wir höher hinauf. Wir versichern uns, dass keine Flugzeuge in der Nähe sind und gehen auf 300 Meter. Die wirklich guten Shots sind wahrscheinlich von noch viel höher aufgenommen, aber uns reicht das Risiko. Karsten macht eine Reihe von Bildern, die wir in der post production zu einem Bild zusammensetzen wollen. Aber es schaut schon recht gut aus!
Dann aber schnell wieder runter mit der Mavic, damit wir keine Probleme bekommen! Als sie auf dem Autodach sicher landet, ist sie vom Nebel völlig nass.
Der Himmel ist heute komplett bedeckt und über den angezuckerten Bergspitzen liegt ein weißer Schal ausgebreitet.
Die Grafarkirkja ist die älteste Kirche Islands. Wir müssen ein Gatter öffnen, um auf einen kleinen Parkplatz zu gelangen. Vor dort sind es 230 m durch eine Grasfläche zur Kirche. Wir ziehen unsere Gummistiefel an, denn das Gras ist vom Nebel ganz nass. Ein schmaler Pfad führt zu einem Holztor in einem Erdwall, der rings um die Kirche verläuft. Die Kirche ist mit Grassoden bedeckt und abgeschlossen. Wir gehen einmal rundherum, es gibt ein paar Grabsteine. Ein Grab ist besonders berührend, denn hier wurde ein 2 Tage altes Kind beerdigt.
Nicht weit davon sind die Basaltsäulen in Hofsós. Wir gehen vom Parkplatz ein Stück den Abhang hinunter, wo man die Säulen besser fotografieren kann. Es ist nichts Besonderes, wenn man schon einmal Basaltsäulen gesehen hat, aber nett zum Anhalten, wenn man daran vorbeikommt. Es gibt auch gleich nebenan ein Schwimmbecken, das einen tollen Blick aufs Meer bietet.
Ganz in Norden des Kaps liegt der Saudanes Leuchtturm. Man kann mit dem Auto direkt hinfahren, allerdings schaut er auch von der Straße hinunter fotografiert gut aus. Zwei Schafe kommen ganz aufgeregt zu mir an den Zaun gelaufen, wahrscheinlich haben sie nicht viel Ansprache.
Siglufjördur ist die nördlichste Stadt Islands und bezaubert uns mit seinen bunten Häusern. Auch das hellgrüne Sigló Hótel liegt sehr fotogen am Hafen. Wir packen sogar die Stative aus und machen Langzeitbelichtungen mit den verrotteten Überbleibseln eines Steges im Vordergrund. Aber es ist bitterkalt! 7 Grad und eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit lassen meine Hände zu Eisklötzen erstarren. Also schau ich, dass ich schnell wieder im warmen Wagen bin.
Den Leyningsfoss müssen wir ein bissl suchen. Bei meinem angefahrenem Punkt geht zwar ein Weg in den Wald, aber ich höre kein Wasserrauschen. Erst ein Blick auf eine Karte, die beim offiziellen Parkplatz steht, zeigt, wo der Wasserfall genau ist. Ich war schon richtig, wir müssen nur ein paar Minuten durch den Wald laufen, dann stehen wir auch schon vor dem hübschen Wasserfall.
Es ist ein netter Spaziergang, neben der Straße geben violette Lupinen und gelbe Butterblumen ein sehr sommerliches Bild ab. Hie und da blitzt schon ein Stück blauer Himmel durch die Wolkendecke und als wir durch die drei Tunnel bei Ólafsfjörður herauskommen, werden wir von der Sonne schon direkt geblendet.
Den Mígandi lassen wir links liegen, weil keine Parkmöglichkeit neben der Straße vorhanden ist.
Eigentlich hätte ich heute noch den Goðafoss am Programm, aber das Wetter ist heute ähnlich wie bei unserem Besuch 2017 und lieber schauen wir uns Akureyri genauer an.
Jetzt hat auch die Sonne die Oberhand gewonnen und wir finden einen Parkplatz direkt vor unserem Hotel im Zentrum. Das Hotel Kea by Keahotels wurde uns ja anstelle des gebuchten Hotels Grygur am Mývatn vermittelt, weil das Grygur diesen Sommer gar nicht öffnet. Die Umbuchung war aber gar nicht so verkehrt, denn zum Mývatn müssen wir eh nicht noch einmal und so haben wir noch mehr von der Nordküste sehen können.
Unser Hotel liegt direkt unterhalb der imposanten Akureyrarkirkj. Nach dem Einchecken erklimmen wir die Stufen hinauf zur Kirche. Von oben hat man einen schönen Blick auf die Stadt mit den verschneiten Bergen im Hintergrund. Wir spazieren ein bisschen durch Akureyri, besuchen die Statue Útlaginn (Der Geächtete) und kaufen uns ein Eis, schließlich ist ja Sommer!
Im untersten Stock des Hotels ist das Restaurant Hamborgarafabrikkan. Wir haben nach dem Einchecken einen Tisch bestellt. Um acht Uhr werden wir vorstellig und müssen erst einmal warten, weil der junge Kellner mich nicht bemerkt. Vor uns wartet nämlich eine Flodder-Familie: die Mutter mit fettigem Haar, ausgeleierter Jogginghose und Badelatschen. Die Kinder wachsen auf wie die Rüben. Die 4-jährige läuft – ihren schwarzen Sohlen nach offenbar den ganzen Tag barfüßig – durch das ganze Lokal, auf die Bänke, unter die Tische und kugelt am Boden herum.
Endlich schaut der Kellner auf, sieht mich und weiß sogar noch meinen Namen. Wir werden an einen Tisch am Fenster geführt. Die freien Tische neben uns sind voll mit den Resten der letzten Gäste. Die beiden Servierkräfte sind etwas unmotiviert, wahrscheinlich auch überfordert. Wir warten gute 15 Minuten, bis wir überhaupt eine Bestellung aufgeben können. Nach weiteren 10 Minuten kommen dann die beiden Flaschen Tonic, allerdings ohne Gläser.
Das bestellte Essen wird etwas schneller als angenommen serviert, kurz vor neun Uhr haben wir dann alles am Tisch. Meine Spareribs sind lauwarm, die Pommes Frittes beinahe kalt. Ich ertränke die fetten Ripperln mit der Barbequesoße und stopfe die Pommes Frittes so schnell es geht in den Mund, kalt mag ich sie gar nicht mehr!
Karsten hat mit seinem Burger zu kämpfen, weil er sehr hoch ist. Aber er schmeckt ihm wenigstens sehr gut!
Die Tische neben uns sind immer noch nicht abgeräumt – und wir sind schon eine Stunde da!
Ich lasse ein Drittel über, Karsten schielt nach den Milchshakes. Wir machen uns aus, wenn innerhalb der nächsten 10 Minuten ein Kellner kommt, bestellen wir noch einen Shake, sonst lassen wir die Nachspeise aus. Doch Karsten winkt den Kellner heimlich zu uns.
Also ziehen wir uns noch jeder einen dieser Fantasie-Shakes rein, Karstens mit Schokolade und Lakritze und ich einen Reese-Shake, also mit Erdnüssen. Viel zu süß und fett, da werden wir heute Nacht noch unseren Spaß haben!
Beim Zahlen sagt der Kellner, dass wir so lange auf die Shakes haben warten müssen, dass sie aufs Haus gehen. Er verrechnet uns 5.586 Kronen, das ist weniger, als unsere beiden Hauptspeisen gekostet haben. Von den beiden Tonics ganz abgesehen. Ein schönes Lokal!
Dienstag, 7.7.2020 / Aldeyjarfoss – Rauðinúpur Cape – Raufarhöfn
Es lacht wieder die Sonne vom Himmel und hübsche Schäfchenwolken sind im Blau verteilt. Dazu die schneebedeckten Berge, ein Traum! Mein iPhone hat auch via Autoradio den richtigen Song dazu: Giovanni Zarrella mit „La Vita é Bella“.
Der brandneue Vaðlaheiðargöng Tunnel kurz nach Akureyri verkürzt die Ringstraße um 16 km und ca. 11 Minuten. Er ist mautpflichtig (1.500 Kronen per Trip). Bezahlt wird via Internet bis zu drei Stunden nach der Durchfahrt. Wir wollen aber über die alte Route fahren und prompt biege ich im Kreisverkehr zum Tunnel ein. Ist aber kein Beinbruch, es ist genug Platz zum Wenden und schon bin ich wieder weg.
Nach einer Dreiviertelstunde biegen wir in die 844 zum Aldeyarfoss ein. Der Parkplatz des Goðafoss ist verwaist, 5 Autos parken hier. Den Aldeyarfoss haben wir 2017 ausgelassen, weil ich Rückenschmerzen hatte und die Rüttlerei, so gut es ging, vermied. Heute geht es super, gar keine Löcher oder Querrillen, ich komme mit 80 km/h sehr gut voran. Nur die letzten 4 Kilometer sind tough, ganz zum Ende ist ein 4×4 nicht verkehrt.
Hier treffen wir auch wieder unsere lieben Freunde, die Midgets. Und schwupp, sind schon ein paar von ihnen im Auto! Zum Wasserfall gehen wir noch ein kurzes Stück hinunter, vielleicht 10 Minuten lang.
Herrlicher Himmel zum Fotografieren, vielleicht ein bisserl zu hell, da muss der 1000 ND Filter mit dem 8er Filter kombiniert werden. Oder gleich mit dem 64er, da kann ich auch schon mal eine Langzeitbelichtung mit 5 Minuten machen. Dann merkt man auch die Wolkenbewegung.
Nach einer Stunde steigen wir wieder zum Parkplatz hinauf und schnappen uns die Drohne. Damit machen wir noch schöne Luftaufnahmen vom Aldeyjarfoss und lassen sie wieder am Autodach landen, denn der steinige Boden könnte den Rotoren zu nahe kommen. So der Plan. Karsten unterbricht den automatischen Landeanflug und steuert händisch auf das Auto zu.
Doch kurz bevor sie aufsetzt, übernimmt die Landeautomatik aufgrund des niedrigen Akkustandes wieder und setzt die Mavic zu weit nach rechts und ein Propeller rotiert über die Dachträger. Auto und Drohe überstehen das Manöver unverletzt, doch Karsten muss sich am Abend wieder schlaumachen. Wäre ja noch schöner, wenn der Computer die Kontrolle übernimmt!
Bei der Weiterfahrt nehme ich irrtümlich die falsche Richtung, Karsten sieht gerade noch, wie sich im Navi die Ankunftszeit von 14:45 auf 16:11 ändert. Das wär was gewesen, wer weiß, ob ich das gleich bemerkt hätte. Das Gleiche ist uns vor drei Jahren auch passiert, wir sind in der Gegend um Sænautasel herumgegurkt und nach gut 18 Kilometern in eine Richtung sagt das Navi: „Bitte drehen Sie bei nächster Gelegenheit um“.
Durch dieses Missgeschick habe ich nun aber einen Suzuki vor mit, der Fahrer bewegt sein Gefährt sehr zögerlich. Das ist auf den ersten vier Kilometern auch ok, da fahr ich gerne hinterher. Aber sobald der ärgste Teil vorbei ist, überhole ich und ziehe davon. Der Suzuki verschwindet hinter dem Horizont.
Für den Goðafoss haben wir nun doch keine Zeit, das Wetter ist zwar netter als bei unserem ersten Besuch, aber der Wasserfall liegt auch in der prallen Sonne, da tut’s nicht weh, wenn wir vorbeifahren. Am Parkplatz stehen jetzt ca. 10 Autos.
In Húsavík wasche ich das Auto, denn ich sehe nur mehr tote Fliegen auf der Windschutzscheibe. Anders als bei uns, gibt es an den Tankstellen keine Putzmittel zum Fensterreinigen, dafür aber an den Größeren einen Druckschlauch mit Besen. Die Benutzung ist gratis.
Irgendwo auf der 85 nach Húsavík bleibe ich am Straßenrand stehen. Die Bergkette im Westen ist der Hammer! Es folgt das klassische Straßenfoto von der Mitte der Fahrbahn. Ein Wirtschaftsgebäude mit rotem Dach macht sich auch sehr nett als Motiv.
Beim Puffin Point Tjörnes ist kein einziger Papageientaucher zu sehen, wir halten uns nicht lange auf.
Die Anfahrt zum Rauðinúpur Cape ist etwas mühsam, die Gravelroad extrem rippig. Uns schüttelt es gehörig durch. Wozu habe ich eigentlich das Auto gewaschen? Wir sehen schon von Weitem an der Staubfahne, dass wir einen Wagen vor uns haben. Bevor man ins Schutzgebiet kommt, muss man ein Gatter öffnen.
Dort holen wir den Wagen vor uns ein und sehen, dass der Mann seine Hand über den Kopf hält. Schon wieder die angriffslustigen Seeschwalben, da sind wir froh, dass wir nicht aussteigen müssen. Doch zu früh gefreut, auch am Parkplatz greifen die Biester gleich an. Ich schütze mich mit dem Cap und dem Hoodie drüber, da kommen die Schnäbel nicht durch.
Dann schauen wir uns erst einmal um, denn von den roten Felsen auf meinem Bild in der Roadmap ist nichts zu sehen. Karsten eruiert, dass das Kap gut 2 Kilometer entfernt ist. Wir treffen auf ein junges deutsches Paar, das hier mit dem Camper wohl übernachtet. Sie erklärt mir, dass man bis zum Leuchtturm 30 bis 45 Minuten gehen muss. Das geht sich bei uns heute nicht mehr aus und wir schreiben das zweite Kapitel zu „Der Weg war umsonst“.
Durch den Ausfall könnte es sich ausgehen, dass wir vor 17 Uhr in Raufarhöfn eintreffen, was bedeutet, dass wir noch Frühstück für übermorgen einkaufen können. Ich drücke ein bisschen auf die Tube und wir erreichen den Supermarkt eine Viertelstunde vor Schließung.
Bevor wir zur Unterkunft fahren, wollen wir noch einen Tisch fürs Nachtmahl reservieren. Doch im Kaupfélagið sagt mir eine Dame, dass sie ein Café sind und am Abend gar nicht offen haben. Seltsam, denn dieses Lokal habe ich vor dem Urlaub noch extra angeschrieben und mir wurde bestätigt, dass sie bis 20:30 Uhr offen haben werden.
Alternativ werden wir im Nordic Hotel vorstellig, da ist aber eine Reservierung nicht notwendig, weil eh keine Gäste da sind (oder so ähnlich). Trotzdem schreibt man pflichtbewusst meinen Namen auf, man sieht sich!
Das Sólsetur Guesthouse liegt recht nett am Meer. Kein Auto am Parkplatz und bei unserer Ankunft ist auch kein Mensch vor Ort. Alle Zimmer sind offen und haben einen Schlüssel im Schloss stecken. Soweit so gut, aber welches Zimmer ist nun unseres? Am Eiskasten hängt ein Zettel mit der Telefonnummer, dich ich auch im Roadbook notiert habe. Also rufe ich an und eine Dame sagt, sie ist am Weg.
Es ist die Dame aus dem Kaupfélagið, wir nicken uns erkennend zu. Sie ist nicht besonders freundlich und erklärt uns die Gegebenheiten. Das Frühstück ist morgen von 8 bis 10 Uhr im Café. Das ist uns aber zu spät, morgen wird ein langer Tag und wir wollen um 7:30 losfahren. Kein Problem, sie bringt uns eine Box mit unserem Frühstück ins Guesthouse.
Kaum ist sie weg, kommt ein weiteres Paar. Wie sich herausstellt, sind sie auch aus Österreich. Ich setzte mich in den Küchenbereich und fange mit dem Reisebericht an. Die Österreicher verschwinden in ihrem Zimmer. Es kommt ein isländisches Paar mittleren Alters an. Die beiden halten sich lange neben uns auf, essen und machen sich einen Kaffee. Die ganze Zeit über sprechen sie nur isländisch miteinander und ignorieren uns. Ich lächle sie freundlich beim Vorbeigehen an, sie schaut weg. Er vermeidet auch den Augenkontakt. Muss ja nicht!
Zum Nachtmahl gibt es wieder einmal Fish & Chips, diesmal ganz vorzüglich. Danach machen wir noch einen Sprung zum Arctic Henge. Der Arctic Henge ist nicht, wie man vermuten könnte, eine alte heidnische Druidenstätte, sondern ein neues Kunstwerk, um den Tourismus in Raufarhöfn anzukurbeln.
Mir ist vorwiegend kalt. Immerhin sind wir hier 17 km vom Polarkreis entfernt. Die mächtigen Steintore wären noch beeindruckender, wenn die untergehende Sonne durchscheinen würde. Aber der Himmel ist grau in grau, am Horizont ist noch ein heller Strich zu sehen, aber der reißt es auch nicht mehr raus. Vielleicht geht in der post production noch etwas.
Im Guesthouse waschen die schweigsamen Isländer gerade ihre Kühlbox in der Abwasch. Kein Muh, als wir das Haus betreten und kein Mäh, als sich sich in ihr Zimmer zurückziehen. Seltsame Leute. Die Österreicher sind offenbar in ihrem Zimmer, wir sitzen allein in der Küche und wundern uns.