Die Nacht war gefühlt recht kurz als wir am Frühstückstisch sitzen, das Spiel der Lichter gestern hat doch länger gedauert als wir zuerst gedacht hätten. Da kommt das wieder einmal gute Frühstück hier im Hotel Hafnarfjall gerade recht. Der Blick aus dem Fenster zeigt uns eine geschlossene Wolkendecke, obwohl der aktuelle Wetterbericht für hier genau jetzt kein Wölkchen am Himmel anzeigt. Ich liebe isländische Vorhersagen, eigentlich könnte man auch einen Würfel auf jeder Seite mit Wolken, Regentropfen, Sonne usw. bekleben und das Wetter jeden Tag auswürfeln … es käme wohl auf’s selbe heraus.
Nachdem wir uns satt gegessen haben verlassen wir Borgarnes wieder. Tagesziel wird heute eine private Holzhütte in der Nähe von Dyrholaey sein. Die reine Fahrtzeit dorthin wird von googlemaps mit schlappen 2.5 Stunden berechnet. Viel Luft also, um daraus einen schönen Tag mit vielen Highlights unterwegs zu basteln. Meine POI-Liste ist gut gefüllt und so sollten hinterher aus 2.5 Stunden fast 12 Stunden werden.
Porufoss
Erster Stopp unterwegs ist schließlich der Porufoss entlang der #48. Letzten Juni war ich bereits mit Michaela und Burckhard dort, wieder einmal fällt einem die Veränderung eines Ortes innerhalb nur weniger Monate auf. Der alte Schotterparkplatz ist nicht mehr vorhanden, ein neuer und größerer wurde dafür etwa 100m weiter unten angelegt. Dort passen jetzt auch circa 10 statt nur 2 Autos hin. Dafür parkt man nicht mehr direkt am Wasserfall, sondern viel weiter weg an einem entfernten Aussichtspunkt.
Da ich den alten Trampelpfad aber noch kenne, gelangen wir trotzdem zur ursprünglichen Stelle. Die noch tief stehende Sonne sorgt für eine tolle Stimmung …
Das fängt schon mal gut an heute, so kann es gerne weitergehen. Game of Thrones Fans dürfte der Wasserfall im übrigen bekannt vorkommen ;-)
Straße #360
Als Nächstes fahren wir die #360, welche sich westlich vom Þingvallavatn an den Bergen entlang schlängelt. Ein Traum von einer Straße, die ich zwei Mal bereits in umgekehrter Richtung gefahren bin. Ein paar Eindrücke …
Kurz vor dem Ende des Sees kommen wir an der eigentlich eher unscheinbaren Úlfljótsvatnskirkja vorbei, welche sich jedoch vor einer beeindruckenden Kulisse befindet. Leider ist die Sicht gerade nicht perfekt, so dass die umliegenden Berge nur teilweise zu erkennen sind. Interessantes Detail: Die Kirche stammt aus dem Jahr 1914, der Turm jedoch aus dem Jahre 1961. Er wurde erst viel später hinzugefügt.
Seyðishólar
Der nächste Stopp lässt nicht allzu lange aus sich warten, es geht zum Seyðishóll, dem Doppelkrater der Seyðishólar. Dort bin ich selber noch nicht gewesen, drauf aufmerksam wurde ich, weil auf Guide to Iceland ein 10-Sekunden-Video gepostet wurde wo eine Frau scheinbar über den Mars zu laufen schien – SO rot war das Gestein in dem Clip. Sah auf jeden Fall interessant aus und nach ein wenig Recherche war klar wo dieser Ort sich befindet. Nämlich genau hier.
Zumindest DACHTE ich das es sich bei unserem Fund um den Ort aus dem Clip handelt, durch etwas google-Recherche und einem Zufallsfund weiß ich nun im Nachhinein aber, dass es nicht die exakt richtige Location gewesen ist. Mittlerweile weiß ich allerdings auch wohin wir hätten fahren müssen, irgendetwas bleibt ja immer für’s nächste Mal übrig. Und nein, ich werde das ausnahmsweise mal NICHT in die POI-Liste mit einbauen.
Wiki-Wissen: Die Krater liegen über einer kleinen eigenen Magmakammer. Es handelt sich hier um das Grímsnes-Vulkansystem, das jüngste aktive Vulkansystem Islands, zu dem u. a. auch der Krater Kerið gehört ebenso wie die heißen Quellen am Fuße des Búrfell í Grímsnesi. Es hat noch keinen eigenen Zentralvulkan. Das größte Lavafeld der Gegend, das sogenannte Grímsneshraun, wurde von ihnen produziert. Die Kiesgrube im Zwillingskrater dient heute zur Gewinnung von Baumaterial, da der Boden dort sehr eisenhaltig ist.
Kerið
Weiter geht es zum nur wenige Kilometer entfernten Kerið-Krater. Er ist 55m tief und die Wassertiefe schwankt hier zwischen 7 und 14m. Ein surreales Bild bietet sich hier heute, immer wieder laufen nämlich einige Leute über die zugefrorene Wasseroberfläche. Muss man nicht weiter kommentieren denke ich, aber da ein Ranger die ganze Zeit in unmittelbarer Nähe ist und nichts dagegen sagt wird das wohl in Ordnung gewesen sein *grübel*
Gluggafoss
Nächstes Ziel ist der Gluggafoss, manchmal heißt er auch Merkjárfoss weil er eben dem Fluss Merkja entspringt. Warum er mal so und mal so in Karten genannt wird weiss ich nicht. An dem Ort bin ich noch nie gewesen bisher, obwohl ich mir schon mehrere Male vorgenommen hatte dort mal vorbei zu gucken. Der Wasserfall liegt im Prinzip in der Nähe vom Seljalandsfoss. Da wird dort auf Grund der zu befürchtenden Überfüllung aber eh nicht halten wollen, besuchen wir stattdessen diesen wunderschönen Wasserfall hier. Und alleine Anfahrt dort hin ist heute ein Traum bei diesem Wetter.
Und obwohl zwischen Seljalandsfoss und Gluggafoss nur wenige Kilometer liegen sind wir hier mutterseelen alleine … wie eigentlich bisher den ganzen Urlaub über. Egal wo wir hinkommen, es ist schlichtweg niemand dort. Für Mario, der ja zum ersten Mal hier auf der Insel ist, muss der Seljalandsfoss ein verwirrender Anblick gewesen sein als wir dort im späteren Verlauf noch vorbeigefahren sind. Bisher hat es nicht so ausgesehen als wenn auch nur eine Handvoll Touristen auf der Insel wäre. Wie auch immer …
40 Meter ist der Wasserfall hoch. Einzigartig macht den Gluggafoss wohl seine Geologie. Er hat nämlich mehrere Löcher und Tunnel im weichen Palagonitgestein geschaffen, durch die das Wasser seinen Weg findet – diese Löcher bzw.Fenster heißen im isländischen halt „Gluggar“ … daher hat er eben den deutschen Beinamen Fensterwasserfall. Die unteren Kaskaden sind übrigens immer noch 8.5m hoch.
No-Name-Waterfall
Wir verlassen den Gluggafoss via #250 und sind recht flott beim Seljalandsfoss, den wir aber links – bzw.in unserem Fall rechts – liegen lassen und direkt mal daran vorbeifahren. Die schiere Masse an Menschen und Autos hier auf dem Parkplatz wirkt nicht besonders anziehend auf uns. Ich hatte außerdem noch ein As im Ärmel, was ich bisher noch auf keiner Reise hier ausgespielt hatte … nämlich den sogenannten No-Name-Waterfall. Dieser befindet sich oberhalb des Seljalandsfoss und ist nur zu erreichen, wenn man die extrem steile Schotterpiste auf die Seljalandsheidi hoch fährt.
Bisher war die Zufahrt immer gesperrt, heute war sie glücklicherweise aber offen und Schnee lag dort auch nicht mehr. Also nichts wie hin. Mühsam und mit eingeschaltetem 4×4 ächzt der Hilux sich den Berg hoch. Meine vermuteten GPS-Daten stimmen nicht ganz genau, etwas zu früh stelle ich den Wagen daher ab und laufe nach rechts in der Hoffnung das der Wasserfall dort auch wirklich ist. Genau wusste ich es nämlich nicht, es war lediglich eine Vermutung dank google earth.
Aber da war er dann schliesslich, wunderschön und für jeden von uns deutlich beeindruckender als der völlig überlaufene Seljalandsfoss. Wenn man wollte könnte man dem Flusslauf von hier aus folgen und stünde dann an seiner Sturzkante, aber wir wollen die Leute da unten mal nicht schocken *g*
Der Wasserfall ist noch ein echtes „Secret“, nur auf wenigen Fotos von einigen Fotografen habe ich ihn überhaupt bisher gesehen und es wurde jedes Mal abgewiegelt wenn ich nachgefragt habe wo er sich denn befinden würde. Daher werde ich dem Ruf der Natur folgen und auf seine exakte Lage nicht näher eingehen. Und auch Nachfragen diesbezüglich werden von mir nicht beantwortet. Warum, wieso, weshalb habe ich unter anderem in einem Artikel geschrieben. Ich denke aber, jeder der halbwegs die richtige Intention hat ihn zu finden wird es auch schaffen.
Alleine schon der wahnsinns Ausblick von hier oben würde den kurzen Abstecher hier hoch lohnen, so eine Fernsicht hat man nicht alle Tage.
Kvernufoss
Man merkt eindeutig das wir im Süden der Insel angekommen sind inzwischen, die Verkehrsdichte hat überproportional zugenommen im vergleich zu den letzten Tagen. Um dem ganzen aus dem Weg zu gehen entscheiden wir uns nicht als nächstes den Skogafoss zu besuchen, sondern den benachbarten Kvernufoss. Angeblich soll der Besuch hier zwischenzeitlich untersagt gewesen sein, es gibt aber keinerlei Hinweise darauf und Schilder irgendeiner Art die darauf deuten würden existieren ebenfalls nicht.
Ich vermute daher, es ist wieder einmal eine rein deutsche Erfindung um sich wichtiger zu machen als man ist. Irgendjemand streut ein Gerücht und auf diversen Social Media Kanälen bekommt dieses Gerücht dann plötzlich Flügel und wird zum Selbstläufer.
Fakt ist: Wenn die Landbesitzer hier beabsichtigen würden das niemand mehr zum Wasserfall laufen soll, wäre es ein leichtes diesem Wunsch nachzukommen. Man müsste lediglich die Tritthilfe über den Zaun entfernen. Zusätzlich vielleicht noch ein eindeutiges Hinweisschild auf dem das inzwischen so oft zu findende “No Trespassing“ steht und fertig. SO aber bleibt festzuhalten, dass jede offizielle Fototour den Wasserfall in Ihrem Programm hat. Von einer Sperrung kann also bisher nicht die Rede sein – außer in den Köpfen einiger Menschen.
Intelligenterweise merke ich nach dem ersten Foto das mein Kamera-Akku leer ist, jetzt noch einmal zurück zum Auto zu gehen ist mir aber ehrlich gesagt zu umständlich – daher gibt es hier nur eine iPhone-Knipserei.
Auch hier waren wir so gut wie alleine, von Massentourismus keine Spur. Man muss sich das nur oft genug einreden das Island überall von Menschen überrannt wird, dann glaubt man irgendwann selber daran. Ich hab’s so oft gesagt und geschrieben bisher: Wenn man die 08-15 Ziele außen vor lässt und sich auch nur wenige Meter oder Kilometer von ihnen weg bewegt, ist man auf Island immer noch völlig allein. Und das ist auch gut so.
Reynisfjara Sonnenuntergang
Mein Plan, den Sonnenuntergang oben am Leuchtturm bei Dyrholaey anzusehen, wurde zum Ende des Tages hin leider jäh gestoppt. Die Zufahrt hoch auf’s Plateau war nämlich unten bereits gesperrt. Offensichtlich versperrte eine grössere Eisplatte mitten auf der Strasse den Weg. Das ist natürlich super schade, denn darauf hatte ich mich heute mit am meisten gefreut. Aber was soll’s, wir fahren einfach runter nach Reynisfjara und schauen uns das Schauspiel direkt am schwarzen Strand an. Viel spektakuläres gibt es heute nicht, der Himmel ist immer noch ungewöhnlich wolkenlos – ein Zustand, den man hier in Vik jetzt auch nicht sooo häufig antrifft.
Nach diesem Schauspiel fahren wir langsam aber sicher wieder zurück und stoppen noch kurz an der Reyniskirkja. Zur Blue Hour sieht diese wirklich einmalig schön aus.
Unterkunft und Sterne fotografieren
Als wir an unserer Unterkunft für heute, dem Vestri Petursey ankommen, essen wir in aller Ruhe und lassen den Tag ausklingen indem wir ihn Revue passieren lassen. Wieder einmal war dieser extrem abwechslungsreich, obwohl die gefahrene Strecke gar nicht wirklich weit gewesen ist. Nach dem Essen gehe ich noch kurz vor die Türe, der Satz “Ich geh mal eben raus, Sterne fotografieren“ entwickelte sich irgendwie zu einer Art Running Gag. Polarlichter gab es keine heute, dafür habe ich zum allerersten Mal die Milchstraße mit bloßem Auge sehen können … und das fand ich jetzt nicht wirklich weniger aufregend.
Unsere Hütte war ja ja weit weg von jeglichen Lichtquellen, lediglich unsere eigene Außenbeleuchtung ließ sich blöderweise nicht abschalten. Trotzdem habe ich hier an diesem Abend einen Sternenhimmel gesehen wie es es noch niemals zuvor erlebt habe. Das wird mir definitiv noch sehr lange in Erinnerung bleiben.
Morgen geht es gen Osten, wir werden wieder zwei Tage im Fosshotel Glacier Lagoon übernachten. Dort sind wir auch letztes Jahr schon abgestiegen, ist zu empfehlen finde ich. Bis Morgen denn …
Die Schotterstraße zum No Name Wasserfall wollte ich vor 3 Jahren auch schon mal mit meinem Happy Camper rauf fahren – bin aber kläglich gescheitert. Der grobe Schotter und die Steilheit waren für meinen Wagen nicht zu machen. Ich wusste auch nicht, was mich oben erwarten würde, aber die Neugier war groß. Dann werde ich es mit geeignetem Wagen eben nochmal versuchen.
Hi Rainer, lohnt sich definitiv. Die Steigung ist aber wirklich nicht von schlechten Eltern, selbst mit zugeschaltetem 4×4 ächz man sich ganz schön da hoch. Dazu kamen dann noch elendige, tiefe Spurrillen durch die Schneeschmelze bei unserem Besuch. Da hatte der Hilux mal gut was zu tun *g*
Ich hab letztens auch zum ersten Mal Aufnahmen gesehen von unten, runter kommt man also auch. Muss man vermutlich nur etwas für ausholen und weiter unten starten und dann einfach die kleine Schlucht hochgehen. Na vllt nächstes Mal, ich würde definitiv nochmal gerne hin :-)